Selbstbildnis 6

ZEICHEN OHNE WORTE

In der Nacht habe ich von dir geträumt. Es hat an meiner Haustür geklopft, und ich habe geöffnet. Es war Tag und die Sonne schien. Ein paar Schäfchenwolken blieben an der Hecke hängen.Da standest du und hast mich angeschaut ohne etwas zu sagen. So richtig fassbar warst du nicht, eher ein sich in Auflösung befindlicher Geist. Nicht unästhetisch, so wie eine Wolke, die sich auflöst und dabei ihre Konturen verliert und langsam vom Himmel verschluckt wird. Du warst da! Ich fühle mich gesehen und verstanden. Es hat mir gut getan, mich aufgerichtet und mir Mut eingeflöst, ganz und gar ohne Worte. Und das war, was ich brauchte. Beim Aufwachen, war alles Schwere von mir abgefallen,wie ein altes, viel zu weites Kleid, das verschlissen und notdürftig geflickt nicht mehr passt und dringend der neuen Haut weichen muss. sie

FISCH SEIN

(nachgetragen zu „Stimmung zwischen den Zeiten“)

Ach wäre ich doch ein kleiner roter Fisch.
Dann würde ich durch den nassen Tag schwimmen und mit den Regentropfen um die Wette laufen. Ich würde in verbotenen Tümpeln nach Köstlichkeiten tauchen, in die Wolken springen und darin genüsslich baden. Und auf den grauen Asphalt, der sich unter dem tiefen Himmel ins Unendliche weitet, würde ich glitzernde rote Schuppen streuen.
Wäre ich ein Fisch, dann wäre heute ein Glückstag und ich putzmunter in meinem Element.

und da war noch etwas

diese kleine weiße Wolke…die es so eilig hatte
und alle anderen gemächlichen überholte
fast schien es, als bliebe sie am Kirchturm hängen.
Das sah ein Winzling neben mir wohl ebenso
denn er lachte, zeigte mit dem Finger auf die Wolke
und fragte die Frau, die ihn an der Hand hielt:
„Platzt die Wolke jetzt?“
Ich lächelte zum drittenmal in kurzer Zeit
– in welcher Zeit eigentlich –
wo die Uhren doch stehen geblieben waren
und dachte
dass die Eiligen selten schneller sind als ich

Schon neigt sich der März

Wen siehst du hinter den Wolken, während die Bäume dir ein Lied singen?
Es ist der Wind.
Er hat die Form eines pausbäckigen Engels und trägt auf der Stirn die tiefen Furchen der unablässig Denkenden.
Du spürst nur einen unendlich sanften Flügelschlag, als warte noch etwas ab, bevor es dich ergreift und mitnimmt .
Nichts braust, denn der Tag ist himmelblau und golddurchwirkt. Im Wasser spielen die Möwen. Die Wellen mit ihren Meerschaumspitzen wogen neugierig in den Sand.
Fast könnte man meinen, dass sie sich im Takt mit dem Lied der Bäume bewegen – wie die weißen Wolken, die dem Horizont zu streben,  bevor sie sich zu Rauch verflüchtigen und in den Himmeln verlieren.