20.10.20

Die Ringeltaube flog
gegen die Scheibe. Ich erschrak
vom Knallen und sah
Wildgänse am Horizont
das Nest im Baum lange leer

Es fehlte die Brut
an einem der heißen Tage
mitten im August


Jetzt schlagen Vögel
Kapriolen und schnattern
im Baum, schimpfen
rufen mit lauter Stimme
der Baum, Federspielplatz nun

ein ganzer Kosmos
in dem es liebt, lebt und stirbt
vor meinen Augen

In dem gelben Laub
das bald wie Messing schimmert
picken sie hungrig
sie hopsen, fallen, fliegen
fangen sich in den Zweigen

Sah die Taube nicht
die mich kurz aufhorchen ließ
scheinbar lebt sie noch

Heiligabend

In der Frühe, lange bevor das Morgenrot über die Dächer der Gartenstadt geklettert war, löste sich etwas aus dem Traum heraus. Fast so, als sei der Traum ein Kokon und nun viel zu klein geworden, um das wachsende Etwas noch halten zu können . Der Traum war geplatzt, wie eine reife Schote und hatte ein Wesen in den neuen Tag geschickt.
Es dauerte eine Weile, bis sich die Augen an die vollkommene Dunkelheit der Nochnacht gewöhnt hatten, und ich begannin diesem einen zeitlosen Augenblick, eine zarte Form zu erahnen und seine besondere Energie zu spüren.
Ob es aber ein Engel oder ein Vogel war, den der Traum in die Wirklichkeit entlassen hatte, konnte ich nicht erkennen. Das Wesen, so wusste ich aber, war nicht zu mir unterwegs, nur mein Gehirn hatte es traumverloren entstehen lassen, um Bote zu sein und etwas über die Hecke hinaus in die Welt zu tragen.
So losgelöst aus meinem nächtlichen Leben, verlor ich das Wesen aus den Augen, bevor ich die Botschaft entschlüsseln konnte.
Vielleicht aber, so dachte ich, ist das auch gar nicht schlimm. Muss ich denn immer wissen, was meine inneren Gestalten so treiben? Vielleicht liegt mein Anteil nur darin, sie zu gebären.
Und etwas später, als das Morgenrot über die Dächer geklettert war, verstand ich schon etwas mehr über mich, denBoten und die Botschaft.
Eine gewisse Hilflosigkeit gemischt mit einem Hauch Furcht, wandelte sich in das beglückende Gefühl, nicht für alles verantwortlich zu sein.

Ein hungriger Geist

Er hat lange geruht tief in der Erde unter den fließenden Wassern, am Ende der Welt. Etwas hat ihn geweckt. Er schnellt hoch, huscht an den Fischen vorbei und sprengt die Steine. Hungrig ist er und wach.
Er möchte Bäume ausreißen.
Was hat ihn nur geweckt?
Ein alter Traum, fällt ihm plötzlich ein: früher in alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, ist er als blauer Fisch durch Bäche, Flüsse und das Meer geschwommen, hat viel erlebt und seltsame Wesen getroffen bis er auf dieser Insel strandete, deren Licht ihn gefangen nahm.
So gefangen, dass er zum Vogel wurde, und als er alles gesehen, erkannt und in sich aufgenommen hatte, ruhte er sich als Mensch unter einer Eiche aus.

Überall auf der Insel hatte er eine seiner blauen Federn fallen lassen. Wenn nun ein kleiner Mensch sich bückte, um die Feder vom Boden aufzulesen , dann geschah etwas Merkwürdiges mit ihm : Er wurde von dem Wunsch beseelt, in keiner Form gefangen zu sein. Der Ruf wilder, unbeschnittener Freiheit wuchs in ihm, machte sich breit in seinem Kopf, sprengte alle Grenzen, traute sich in Himmel und Hölle, in Abgründe ebenso, wie in tiefe Furchen verdorrender Felder und in paradiesische Gärten, die mitten in der Wüste von unterirdischen Wasserkanälen gespeist wurden.

Der Geist erinnerte sich und weiß nun wieder , was seine Aufgabe ist:
sich wandeln, verändern, nicht stehen bleiben, Türen öffnen und Federn lassen, damit der wilde Funke Freiheit, kreativ und unbändig, überall schöpferisch wirken kann.

Geschichtenbaum

Ich spüre die Wurzeln der alten Eiche unter der Erde. Es fließt und rinnt dort. Hier gibt es viele geheime Türen. Durch eine gelangt man direkt in den Stamm. Der Baum hat einen Namen: Adam Winterbill.

Von ihm möchte ich eine Geschichte erzählen, wenn ich darf:
Adam Winterbill
Ich bin ein Baum! Mein Platz auf der Lichtung ist gut. Während sich die Wurzeln unterirdischen Raum erobern und mit ihren wachsenden Zehen die Erde lockern, strecken sich die Zweige dem Himmel entgegen. Mein breiter Stamm , der gerade dem Himmel entgegen strebt, hält mich in Balance. Schlafbaum bin ich für kleine schwarze Vögel. Sie sitzen auf meinen Zweigen und erzählen mir zwitschernd ihre Geschichten von weit her. Neulich hängte eine Frau bunte Zettel in meine Zweige. Wie Gebetsfahnen trugen sie innigste Wünsche.

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Es soll ja Zeiten gegeben haben, nein, ich weiß, dass es sie gegeben hat, als das Wünschen noch geholfen hat.
Manche Papierspiralen hat der Wind mitgenommen, andere der Regen aufgeweicht. Jetzt hat sie der Schnee begraben. Im Moos zu meinem Fuß vermodern sie langsam. Ihre Herzensenergie dringt in den Boden ein und sammelt sich zwischen meinen Wurzeln. Nichts geht je verloren.
Durch Wurzeln, Stamm und Zweige steigt die Energie hoch in den Himmel, vermittelt sich den universalen Kräften, die uns gut umsorgen.
Ich bin auch ein Geschichtenbaum, und vielleicht beginne ich, sie zu erzählen.
Ich bin umgeben von guten Freunden. Sie winken mit ihren Zweigen und sehen mich. Manchmal vermitteln die Vögel zwischen uns Botschaften. Es ist kalt in diesen Tagen. Gegen die Kälte bin ich gut ausgerüstet, und die Wurzeln unter der Erde finden noch wärmende Erde. Silberne Kristalle kleiden meine Astspitzen ein und funkeln in der Sonne. Jemand gab mir, der uralten Eiche, vor langer Zeit einen Namen: Adam Winterbill!
Vorgestern kam die Frau wieder zu mir, um ihren Schutzengel zu finden. Eine Stimme führte sie zu einem großen braunen Tor mit goldenen Beschlägen. Sie öffnete den Messingknauf und betrat den Wald. Ein frühlingshafter Birkenweg führte sie zu mir auf die Lichtung. Am Baumstamm wurde sie empor getragen. In meinen Wipfeln traf sie ihren Engel. Er nannte seinen Namen, und es war der, den sie schon ewig kannte.
Ich weiß es, denn sie hat mir ihre Geschichte erzählt, während sie meinen Stamm umarmte und meine Rinde mit weichen Lippen küsste.
Eine andere Frau, sie wird Marie genannt, kam in einer Schneenacht und sie wärmte sich an meinen Stamm, fand die Tür und fiel. Inzwischen wird sie erwacht sein und sich wundern. Mein unterirdisches Reich ist groß.

Blauregen

Mitten im Blau steht die Villa Vogelfrei

1

und wartet auf Gäste

2

weil ich da bin und mit der Kamera störe, kommen sie nicht.

3

Ach wär ich doch ein Vögelein

5

Hinter diesen schützenden, schlingenden Ästen, beinahe wie Wurzeln, könnte ich mich verstecken  und den Menschen zuschauen.

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Das wäre ganz wunderbar, wo ich BLAU doch so l(i)ebe.

7

Wo das ist? Vor dem kleinen Hexenhaus, in dem ich so gerne zu Besuch bin. (Vulkaneifel)

 

 

Vor der Zeit ganz klein

Während die Bäume erstarken
und an Volumen gewinnen
stehe ich winzig vor der Zeit
die mir den Vogel zeigt und verbietet
stehen zu bleiben.
Trotzen möchte ich ihrer Macht
und einfach verwunschen erstarren
wie Dornröschen von einer Spindel gestochen
zwischen all dem Knospen und Blühen
dem Duften und Fließen
für immer mich verzaubern lassen
vom grünen Rausch
und lauschen für ewig

Gestern, bei einem Streifzug durch den Frühling

Ich sah, dass die Bäume in den Startlöchern stecken. Sie warten nur darauf, den letzten Sonnenkick zu erhalten.  Ich spüre die Aufregung, die darauf ausgerichtet ist, nur ja nicht den richtigen Zeitpunkt zu verpassen. Alles wirkt belebter. Die Vögel sind unentwegt tschilpend und zwitschernd unterwegs und auf den Dächern treffen sich Rabenkrähen, Amseln und Tauben. Sie halten Ausschau, könnte  Frau denken.
Da war auch ein efeuumrankter kahler Baum. In dem sah ich tatsächlich einen wilden Kerl hocken, der gleich lossprinten wird.
Was ich daraus folgerte? Dass ich wieder mehr zu den Bäumen muss, um diese ulkigen Blickwinkel zu fotografieren und natürlich auch, um dieses kichernde und quirlige Steigen der Säfte in ihnen zu spüren, dass eine so anregende Wirkung auf mich hat wie starker, schwarzer Kaffee.