September, bitter-süß

Nächte nagen die Tage an
legen einen  Marienmantel über den Abend
Hier und da ein erstes rotes Blatt
am wilden Wein im Heckengebüsch
süße Essenz fruchtiger Reife
der Becher bis zur Neige ausgetrunken
Es bleiben deine Worte
gestapelt und versteckt in allen Ecken
wollen von mir gefunden werden
um das Blut aufzuwirbeln
 und Funken durch die Gedanken zu blitzen
So bleibst du gegenwärtig
während deine Stimme langsam verblasst

und meine wieder Worte findet

 

Sonntagsfreiheiten

“Jetzt aber flott.” und schon rennt er los, der Otto von nebenan. Bestrumpfte Füße stecken in Laufsandalen, die Shorts hängen verblichen unter dem mächtigen Bauch, die Hemdzipfel flattern mit den Haaren um die Wette. Hätte ich ihm gar nicht zugetraut, dem dicken Otto von nebenan, wie der da rennen kann. Aber wo will er hin zu so früher sonntäglicher Stunde? Ich stehe am Fenster und schüttle den Kopf. Das hat natürlich damit zutun, dass ich gerade erst aufgestanden bin, noch keinen Kaffee hatte und so, sonntäglich früh, verpennt und verträumt in den Tag torkele. Ein bisschen schlechtes Gewissen mischt sich in diese Stimmung, denn ich könnte ruhig auch mal wieder eine etwas schnellere Gangart einlegen. Respekt, Otto! Otto ist bärtig und gemütlich, ein bisschen introvertiert, aber kein schlechter Kerl. Er entspricht nicht gerade dem Reihenhausideal. Reihenhäusler sind betriebsam, haben immer was zu tun, kennen keinen Schlendrian und scheinen Muße nicht zu kennen.Sie wissen was sich gehört. wie man seinen Rasen zu stutzen hat und wie man/ frau dem Unkraut mit Vehemenz zu Leibe rückt. Ein untrüglicher Jagdsinn treibt sie an, zu schneiden, zu jäten, auszurotten. Sie wissen alles über ihre Nachbarn und lästern gerne. Eigentlich passe ich auch nicht so recht hierher. Wie der Otto. Ich liebe das süße Nichtstun nach getaner Arbeit und überlasse es gern dem lieben Gott, mir einen schönen Tag zu zaubern. Inzwischen sitze ich auf meinem Sofa, die Beine weit weg gestreckt, vor mir der Kaffee, neben mir ein Buch. Leise dudelt das Radio Sonntagsgemächlichkeit. Herrlich! Aber es nagt an mir: sollte, müsste ich nicht…. vor meinem inneren Auge türmen sich Bügelwäschehaufen zu Hochgebirgen auf, rebellieren und klirren Fenster , die geputzt werden wollen, wächst das Gras über meinen Kopf zusammen und zanken sich die Schnecken um den Pflücksalat…aber ich will heute nicht, will nur faul sein, mich mit meinen Gedanken in die Hängematte legen, draußen im Garten zwischen den Bäumen. Die Sonne lacht und der Wind schmeichelt. Ist doch egal, wohin der Otto flitzt. Wenn er zurück kommt, lade ich ihn auf einen Eiscafe zu mir in den wilden Garten ein.

Bitter-Süß

Einst liebte ich den Mann
der wie ein ferner Gott mit Worten webte
feinst Gespinste
die in mein Herz süß-bittere Sehnsucht säten
mit Sätzen eingesponnen, seidenzart
ward ich geborgen in mir selbst und gut beschützt

Den Rosen nah, war doch sein Herz voll spitzer Dornen
mit meinen Worten, die als Echo ihn umwehten
zog ich sie sanft, doch Wunden blieben
die schmerzten und zu Narben wurden
die ich noch immer spüre
bei jeder Silbe, und in allen seinen Sätzen

Das Glas zur Neige ausgetrunken
schmeckt letzter Rest Essenz
bitter-süß in seiner reifen Fülle

ROT

Mein Sommer ist rot: erdbeerfrisch, kirschensüß, johannisbeersauer Rosenrot duftet betörend in blaue Stunden trockene Hitze liegt beerentrunken auf den Feldern während Feuerteufel orangerot mit den Funken spielen fließt vor dem Hochhaus ein Rinnsal aus Blut der freie Fall dauerte Ewigkeiten Menschen stürmen wutentbrannt aufeinander los Tauben dösen, Spatzen schilpen die Zeit trägt Ewigkeit Nebenan flattert eine Fahne und schleckt ein Kind entrückt am Himbeereis