Lieblingssätze 4

Aus dem Buch „Jahre mit Martha“, das im Kölner Stadtanzeiger MAGAZIN vorgestellt wurde und nun auf meiner Buchliste steht. Autor: Martin Kardic´

„Meine Geschichte will ich erzählen, weil ich glaube, dass wir uns mehr Geschichten erzählen sollten über uns in diesem Land.“

Über mich und diese Stadt, möchte ich erzählen, in die ich aus dem ländlichen Paradies meiner Kindheit vertrieben wurde.

Krass ausgedrückt, aber so kam es mir damals mit sieben Jahren vor. Alles fremd, keine bekannten Gesichter. Ein Puppenhaus zum Leben, in dem es viel zu eng war, mit Mauern darum herum, aus denen meine Mutter mich nur entließ, um zur Schule zu gehen. Das Haus war nicht wirklich klein, hatte einen Garten und vor der Haustüre einen Weg, auf dem die Kinder aus der Straße sich treffen, miteinander spielen oder raufen konnten. Aber im Gegensatz zu dem Bauernhof auf dem Lande, mit den vielen Zimmern, Ställen, Hofgebäuden, Tieren, dem großen Garten, der Obstwiese, den Feldern und der lebendigen Dorfgemeinschaft war nicht nur mein Bewegungsraum eingeschränkt, sondern auch der Erfahrungsraum. Die größte Mauer aber war die Angst meiner Mutter, die mich vom Außen trennte. Es dauerte Jahre bis ich den Ausgang fand.

Ein Korb mit bunter Wolle

Darf ich mich vorstellen? Ich bin Madame Lillac und nicht mehr ganz jung. Seit dreißig Jahren lebe ich hier in Bubendorf, einem südlicher Vorort von Karaman. Vor der Haustür beginnt das Grün. Kurze Wege führen zu einem See, in den Wald oder vorbei an Feldern und Wiesen. Die Landschaft ist flach, deshalb benutze ich auch gerne und oft mein Fahrrad um vorwärts zu kommen.
Gestern fand ich ja den Korb mit Wolle vor meiner Tür und war überrascht und aufgeregt zugleich. Ich entdeckte unter dem Zettel: „Strick eine Geschichte aus mir.“ ein großes Wollknäuel in meinem Lieblingsblau und gleich waren die Bilder da. Ein kleines Binsenboot schaukelte auf den Wellen eines tiefen Ozeans.
Allerdings gelang es mir nicht, in das Boot hinein zu schauen. Unentwegt schaukelte es auf den Wellen. So beschloss ich, mir den Inhalt des Korbes näher anzusehen. Ich fand kleinere und größere Wollreste in allen Farben, die das Leben so annehmen kann. Eine gute Voraussetzung, um eine Geschichte zu stricken. Etwas aber fehlte noch. Ich kramte in alten Notizen, schaute mir Fotos an und erledigte zwischendurch die alltägliche Hausarbeit. Irgendwann nach Mitternacht ging ich schlafen.
In der Nacht träumte ich von dem Boot. Ich hörte Möwen schreien und sah aus den Wellen einen blauen Wal auftauchen. Er tauchte auf und ab, blieb aber immer in der Nähe des Bootes. Als ich am nächsten Morgen aufwachte war ich gut gelaunt und wusste, die Geschichte wird weiter gehen. Ich traf eine Entscheidung: „Ich werde herausfinden, wer mir den Korb vor die Türe gestellt hat.“

Stippvisite

Kurz bin ich wieder da. Gerade zurück aus der quirligen, grünen, hügeligen Stadt Bristol (GB) Am Sonntag gehts für zwei Wochen nach Usedom. Dazwischen liegen volle Tage, in denen ich wahrscheinlich  nicht zum Schreiben komme..

BRISTOL, Impressionen

WATERSHED

Grün, die Bäume am Kanal
darüber, in deren Häuptern
der Wind mit Blättern und Zweigen spielt
während Möwen majestätisch gleiten,
Menschen dem Abend entgegen eilen
und alles im Fluß ist oder scheint
Lächeln, Gespräche, zugewandte Gesichter
„a cup of tea, please“, eine letzte Fähre
und das Erglimmen erster Lichter im Wasser

MOMENTE

In einer fremden Küche stehen
aus dem Fenster schauen
und auf Bahngleise sehen
Kommen und Gehen
Verschluckte Geräusche
Hinterhöfe mit städtischem Wildwuchs
Dabei BLUES hören und BLUES fühlen
BLAU denken
hineinfallen, mitschwingen
aus der Zeit fallen
gleichgültig ob es regnet oder schneit
egal ob die Sonne scheint oder nicht
Fühlen und Spüren
das Herz lebt, es schlägt laut und wild

Musik, Raum, Ort und Zeit, DU, ICH
alles EINS

4.5.2014_10

22.1.2016

Der Frost beißt sich in die schneefreie Erde
Raureif formt bizarre Strukturen
Bin nicht vorbereitet auf den sibirischen Atem.
Kopfschmerzen!
An solchen Tagen sollte man Mützen tragen…
… und Handschuhe
Auf Feldern im Norden der Stadt tummeln sich Schafe.
Eine Riesenherde warmer, aneinander gekuschelter Leiber
Atemwolken schaffen Unschärfe.
Die kribbelnden Fingerspitzen sehnen sich danach
in warmes, wolliges Fell zu greifen
Die eisige Kälte macht wach, und ich spüre
wie lebendig ich bin.

Stadtwinter

Fratzen und und eingefrorene Masken
spiegeln sich im Asphalt
Klirrendes Surren trifft Eisflocken
ein Klopfen dumpf und rhythmisch
buhlt mit Neonlichtblinken
Hohngelächter schwebt über allem

Das Kind am Rande schaut in die Wolken
mit offenem Mund und erstauntem Gesicht
dieses Schauen stört nichts

Aus Eis wird Regen, aus Regen Schnee
Mit der Nacht kommt die Stille
besänftigt die aufgewühlten Sinne
wohltuende Ruhe breitet sich aus
zwischen glänzenden Festen