In Gedanken…

Liebe, mir unbekannt gewordene Freundin,
jetzt wo der Schnee fällt und alles Harte und Schmutzige versteckt, denke ich an dich, frage mich, in welcher Welt, fern von mir du inzwischen unterwegs bist? Ich vermisse dich. Ja, ich hätte wieder telefonieren können, aber mir sind die Worte ausgegangen – eher eingefroren, erstarrt – die mir hätten helfen sollen, die Brücke zwischen uns zu restaurieren. Wie mag sich dein Leben anfühlen, allein und gefangen zwischen Funktionalität, schwarzen Gedanken und schlaflosen Nächten? So wie es gerade hier in Köln schneit, kann ich mir vorstellen, dass du schon fast eingeschneit bist. Mein Gedanken an dich sind durchzogen von Liebe und Segen. Möge der Schnee deine dunklen Gedanken heller und freundlicher machen, und dir mit seiner Stille die Ruhe schenken, die dir hilft zu überleben, deine Lichtbringerin
Bin ich traurig? Nein, eher melancholisch und in Gedanken an all das, was möglich gewesen wäre, aber nicht möglich wurde.
Wenn ich dir das Licht gebracht habe, dann hast du mich – ganz sicher – daran erinnert, dass alles Dunkle deutlich wird und ebenso machtvoll ist.

Pfingsten

Der Tag gestern, so schön und lichtdurchflutet, so von Lebensfreude und Beginnen geprägt, findet Vollendung heute mit dem segnenden Regen.


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Ich habe dem Morgen begrüßt, wie einen überraschenden Gast, der dennoch zur rechten Zeit an meiner Türe geklopft hat. Meine Ohren lauschen dem Regen, der auf das Dach und gegen die Scheiben tropft.
„Mairegen bringt Segen“, sagt der Volksmund, dem ich gerne zustimmen möchte. Die dürstende Natur benötigt dringend dieses lebenspendende Nass. Das Grün sieht gleich intensiver aus.
Auch ich brauche nach sonnigen Tagen diesen Regen, um runter zu kommen, bei mir zu sein, Ruhe zu finden. Ich bin dankbar dafür, in einem Land zu Leben, dass keinen Mangel an Wasser hat.

MARIENALTAR

Ein Foto, dass ich vor ein paar Tagen gesehen habe, geht mir nicht aus dem Kopf. Zwischen Feldblumensträußen vor einer buntgestalteten Wand, vielleicht war es auch eine Nische, stand eine kleine Madonna mit gefalteten Händen und im blauen Gewand. Offensichtlich handelt es sich um einen Maienaltar, an dem Maria, die Muttergottes verehrt wird. Das Foto hat etwas tief in mir Verborgenes berührt. Als ich Kind war in einem kleinen Dorf, nahmen mich meine Mutter und die Tanten mit zur Maiandacht, die alltäglich im Mai am Nachmittag in der kleinen Dorfkirche mit dem wundervollen Barockaltar stattgefunden hat. Der Seitenaltar wurde aus diesem Anlass liebevoll mit Blumen aus Wiese und Garten und vom Feldrain geschmückt. Zu Ehren Marias, der Mütterlichen, die gerade für Frauen mit allen Nöten um Schwangerschaft, Geburt, große und kleine Kinder, Ehe und Familie erste Anlaufstelle war, versammelten sich die Dorffrauen zu Dank-und Bittgebet und dem Gesang von Marienliedern. Ihren Segen erbaten sie und die Weitergabe von Bitten und geheimen Wünschen.
Maria, die Frühlingsgöttin, die ganz archaisch auch gleichgestellt mit der Erdmutter oder der großen Mutter gesehen werden kann, deren besondere Fürsorge den Frauen gilt, war die ideale Vermittlerin von Anliegen, die nur ein göttlicher Geist noch zu richten vermochte.
Im Verlauf meines Lebens entfernte ich mich weit von den römisch-katholischen Grundlagen, mit denen ich aufgewachsen bin, nicht aber von den spirituellen Wurzeln.
Dieses eine Foto beleuchtet wohl jene innere zärtliche Ecke in mir, die immer noch Maria gehört. Und so darf und soll es auch bleiben. Mein Zweitname ist schließlich Maria.
Ich bekam  ihn von meiner liebevollen und lebendigen Patentante, die in dieser inneren Nische gleich neben der Muttergottes sitzt. In unserer verzweigten Familie war sie die große Mutter, denn sie war immer da, wenn
geboren wurde, eine Mutter im Wochenbett oder Krankenhaus lag oder Feste wie Taufe, runde Geburtstage, Kommunion und Hochzeiten anstanden. Sie hatte das große Vertrauen aller Nichten und Neffen, die ihr gern etwas anvertrauten, was die Eltern nicht wissen oder über das sie mit den Eltern nicht sprechen konnten. Und was wir ihr erzählten, es blieb auch bei ihr.
Unsere Zuneigung hat sie für die eigene Kinderlosigkeit entschädigt, und im Advent glich ihr Zimmer einem Warenlager, denn sie beschenkte mit kindlicher Freude alle ihre „Kinder“.
Ich glaube, ich werde mir einen kleinen Marienaltar einrichten, eine kleine Ecke in meinem Zimmer, die mich mitten im Alltag immer mal wieder an ein meditatives Innehalten erinnert.

Osterfragment

Komm, setz dich zu mir. Ich möchte dich teilhaben lassen an einem Gedanken, der mich gerade besonders beschäftigt. Ja, er hat sich einfach in meinen Kopf geschlichen. Da hängt er nun und will sich nicht verdrängen lassen.
Märchen sind weise. Auch das von Dornröschen. Ihr erinnert euch gewiss an die 13. Fee, die nicht eingeladen wurde, weil es im Schloss nur 12 goldene Tellerchen gab und daran, dass sie trotzdem kam und einen schrecklichen Fluch auf das Taufkind niederprasseln ließ. Zum Glück war da noch eine Fee, die den Fluch zwar nicht aufheben, aber seine Konsequenzen mildern konnte. Statt an ihrem 15. Geburtstag an dem Stich einer Spindel zu sterben, schlief Dornröschen einhundert Jahre, und wurde dann von einem Prinzen erlöst, der sie heiratete und zu seiner Königin machte. Gut gegangen! Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Stell dir vor, da ist eine Mutter, die über eins ihrer Kinder den Stab bricht und dieses für alle weiteren Generationen verflucht. Nur, weil sie selbst niemals vom goldenen Tellerlein essen durfte und nicht akzeptieren kann, dass da jemand seinen Platz behauptet, vom großen Kuchen ein Stück abhaben möchte und dieses auch noch vom goldenen Teller essen möchte.
Natürlich wird nicht wirklich ein Fluch ausgesprochen, aber Gedanken der Ablehnung gepflegt und des Mißtrauens. Hinter dem Rücken des Kindes wird schlecht geredet, werden Verbündete gesucht.
Unentwegt sucht die Mutter nach Bestätigung ihrer bösen Ahnungen, ist schließlich selbst ganz besessen davon. Böse und dunkle Prophezeiungen werden gedacht und ausgesprochen. Was auch immer dieses Kind und seine Kindeskinder auch tun, immer interpretiert die Mutter es negativ und abwertend. Ein dunkler Teil in ihr, die böse Hexe, gewinnt mehr und mehr an Macht. Die alte Königin  bleibt stur und lässt sich von keiner weisen Stimme mehr beeinflussen.
Die Macht der Gedanken – ausgesprochen oder nicht – sie ist enorm stark. Wie einem solchen Fluch entkommen? Wie die Fluchende zur Besinnung bringen, die weise Fee in ihr heraus locken, um den Fluch in Segen zu wandeln?
Beides – Fluch und Segen – liegen ganz nah beieinander und entscheiden mitunter Lebensgeschichten.