Rum-Pudding

Meine kleine Schwester, die Jüngste von sieben Kindern, hatte viele Freiheiten, war halt ein typisches Nesthäkchen. Meine Eltern waren der andauernden Erziehungsarbeit schon etwas müde geworden und besaßen nicht mehr die Kraft und Energier ihrer jungen Jahre.
Schnell hatte das Nesthäkchen raus, wen sie wie am besten um den Finger wickeln konnte. Darin war sie sehr geschickt. Zunächst wendete sie das innerhalb der Familie mit Erfolg an, später auch bei den Freunden ihrer älteren Schwestern. Oh ja, meine kleine Schwester konnte unglaublich charmant und liebenswürdig sein.
Anfang der 70iger Jahre feierten wir zuhause eine Doppelkommunion. Es war ein sonniger und freundlicher Apriltag. Wie gemacht für eine fröhliche Feier im Garten unter blühenden Bäumen.
Das Nesthäkchen war etwa 5 Jahre alt.
Meine Freundin B. und ich versorgten die Gäste, halfen beim Kochen, beim Tische ab-und aufdecken, beim Kuchenschneiden und Sahneschlagen, beim Aufbau des Buffets, auch das Spülen war unsere Arbeit.
Mama hatte am Tag vorher eine Festtagscremespeise hergestellt: „Rumpudding“
Weil sie keinen anderen Rum zur Hand hatte, benutzte sie hochprozentigen Strohrum (80%).
So ganz ohne besondere Aufsicht, denn die Erwachsenen waren mit Besuch, Gesprächen und Feiern beschäftigt, genoss meine kleine Schwester an diesem Tag viel Freiheit.
Offensichtlich schmeckte ihr die alkoholhaltige Cremespeise besonders gut. Sie muss eine Menge davon gegessen haben. B. und ich, mit anderen Dingen beschäftigt, bemerkten nur, dass die Kleine immer ausgelassener wurde und die Schaukel im Garten all zu heftig in Schwung setzte. Dazu grölte sie laut. Wir alarmierten Mama und Papa, weil das, was das Kind da tat, sah mehr als gefährlich aus. Unser Vater kümmerte sich. Tatsächlich hatte die Kleine an diesem Tag ihren ersten Rausch. Sie wurde gepüngelt, beruhigt und erst einmal ein paar Stunden schlafen gelegt.