Kandierte Orangen

Das Buch liegt in einer bekannten Buchhandlungs-Kette zwischen den reduzierten Büchern aus und fällt mir gleich ins Auge. Ich nehme es in meine Hände – es ist ein gewichtiges Buch – und schlage es auf. Was mich aus den verborgenen Seiten anblickt, macht mich neugierig, schenkt mir ein Wohlgefühl und lässt mich staunen. Wie kann ein so aufwendiges und ästhetisch schön gestaltetes Buch bei der Ramschware landen?
Die Autorin Beata Zatorka beglückt mit einer gut illustrierten Mischung aus Geschichten, Erinnerungen an die Kindheit, Winterreisezielen und Rezepten aus ihrer Heimat Polen. Beigemischt ist eine gut dosierte Menge Nostalgie, gerade so viel, dass mir das Herz aufgeht, und ich mich per Zeitreise in meine Winterkindheit auf dem Lande zurückversetzt fühle. 

Erstaunt frage ich mich, warum das Buch „Kandierte Orangen“ heißt, wo doch in Polen keine Orangenbäume wachsen, blühen und duften.
Nach wenigen Seiten gibt die Autorin darauf eine Antwort. Sie erinnert sich daran, dass Orangen in ihrer Kindheit eine seltene Rarität waren – „Orangen gedeihen nicht im Polen aber die Störche vom Dach fliegen dorthin, wo die Sonne selbst wie eine Orange aussieht“ –  und im Winter zierten sie zu Pyramiden getürmt die Schaufenster. Jeder der es sich leisten konnte versuchte, ein paar der Früchte für das bevorstehende Weihnachtsfest zu ergattern. Die Orangen waren in hauchdünnes Seidenpapier eingepackt, das bedruckt war mit opulenten südlichen Motiven.  Als Kind hat sie dieses Papier gesammelt und damit schöne Dinge gebastelt. Lange blieb der feine Geruch der Früchte darin aufbewahrt.
Genau in diesem Moment erinnere ich mich an die Stiegen mit Früchten, die mein Vater Anfang Dezember mit nach Hause brachte. Auch darin waren die Orangen in feines Seidenpapier eingewickelt. Den Duft werde ich nie vergessen, wenn wir nach Lust und Laune davon naschen durften und die Schalen sich türmten.
Auch in diesem Jahr werde ich Zitrusfrüchte mit Nelken spicken, Orangenschale trocknen, zu Tee verarbeiten oder für die Zubereitung feiner Gebäcke zerreiben. Und zum ersten Mal werde ich selbst Orangen kandieren.
Im Buch finden sich eine Reihe von Rezepten, in denen Orangen eine Rolle spielen.
Schade, dass Orangen heute zur Massenware geworden sind und ihre Besonderheit für viele Menschen verloren haben, so wie alles, was immer zu haben ist,  seinen  Wert verliert.

Geschriebenes

Beim Sortieren von beschriebenen Papieren  fiel mir ein Brief vom Juni in die Hände, den AURORA wohl nicht abgeschickt hat. Das hole ich jetzt einfach für sie nach:

5.6.2014

Lieber Wanderer

es liegt dem Ganzen wohl eine ganz eigene Logik zugrunde. Einst schrieb ich Briefe an einen Unbekannten. Es gab Leser und dich, den die Briefe anzusprechen schienen. Es muss wohl etwas mit dem blauen Band zu tun haben, dass die Wandernden und Suchenden miteinander verbindet. Gleichgültig, ob es sich dabei um real vollzogende Reise in ferne Gefilde handelt oder um mentale Purpurwege der Seele.
Du wanderst, ich bleibe, wo ich bin, lerne es auzuhalten an einem Ort, mich einzurichten in den Bedingungen, die das Leben gerade an mich stellt.
Natürlich geht das nicht ohne inneren Kampf. Ständig kommt es zu Reibereien an meinen Grenzen. Die Suche nach den Schlupflöchern, durch die ich entfliehen könnte, habe ich noch nicht wirklich aufgegeben. Wäre ich ein Baum und nicht Aurora, ich müsste auch bleiben wo ich bin. Meine Wurzeln würde ich in die Erde graben und die Arme in den Himmel stecken. Wer weiß, vielleicht würde jemand zu mir kommen, eine Leiter an meinen Stamm stellen, und wenn du dann darauf empor steigen würdest, wäre es eine Himmelsleiter, die dich den Gestirnen so nah bringen würde, dass du mir einen Stern vom Himmel angeln könntest.
Das wäre doch mal etwas, ich gekrönt mit einem Stern oder du, vielleicht auch wir alle beide.
Ich reise dennoch, hoch in den Himmel hinein in ferne unirdische Welten. Aber auch tief in die Erde, dorthin wo es warm und fruchtbar ist, wo alles Leben beginnt und wo aus einem alten Traum noch gute Geister auf mich warten. Tief in der Erde werden sie sichtbar, sobald meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben.

Das Dableiben ist schwer für mich. Wohin mit der Ruhelosigkeit? Aber ich kann nicht immer flüchten. Ich will das nicht mehr. Einstweilen tanze ich weiter auf dem Seil. Die Leute kommen zu mir, vielleicht, um aus ihrem Alltag und dem hektischen Stadtleben zu flüchten. Vor allem die Kinder kommen mit leuchtenden Augen und bleiben.

Bis bald grüßt dich Aurora