Besser gesagt, die magische Begleitung, denn es sind zwei Bäume, die sich mir angeboten haben, mit ihnen in Kontakt zu treten. Die drei Wochen des Schnupperangebots sind viel zu schnell vorbei gegangen. Ich habe Blut geleckt und mich heute zum Vertiefungswochenende angemeldet. Das Erzählen verläuft wie ein roter Faden durch mein Leben. Es begann 2000 mit meiner NLP-Ausbildung. Es gibt es ein Format, dass sich Metaphernmärchen nennt. Wir schrieben eins. Ich wusste gar nicht, dass ich das kann. Schon da hat es mich gepackt. Zugegeben die entstandenen Märchen waren hakelig und nicht flüssig geschrieben. Aber irgendwo fängt FRAU an zu üben. Ich habe eine Reihe von Metapherngeschichten für Menschen geschrieben, die sich das gewünscht haben. Es kostete mich damals viel Kraft, denn ich verlor mich jedesmal für eine Weile in der Person, für die ich das Märchen schrieb. Danach war ich immer völlig kaputt und ausgelaugt, aber auch sehr zufrieden mit Resultat und Feedback. Ich ließ es dann wieder, war einfach zu anstrengend. Ich habe mir damals wirklich viel aufgeladen: vier Kinder großgezogen, den Haushalt gewuppt, gearbeitet und die ersten Schritte im Schreiben getan. Ich hatte viel Energie und meine Belastungsgrenze nicht im Blick. 2003 dann das wirkliche Highlight, dass mich vom Schreiben nicht mehr hat lassen lassen, ein Seminar im Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Beratungstätigkeit, der ich damals zusätzlich zu allem anderen noch nachging. Dann habe ich mich aber erst einmal in lyrischen Versuchen ausprobiert. 2005 bekam ich den Denkzettel dafür, dass ich mir zuviel abverlangt und nicht genug auf mich aufgepasst hatte; eine Krebsdiagnose. Ich konnte ein Jahr lang nicht arbeiten und war zeitweise unter der Chemo kaum belastbar. Aber ich schrieb und lernte das Fabulieren, in dem ich mir selbst eine Metaphergeschichte schrieb. Das Schreiben wurde flüssiger und ging mir immer leichter von der Hand. Es floss ohne Anstrengung aus meiner Feder. Ich wurde wieder gesund, bin es bis heute, und das Schreiben war mal mehr mal weniger mein ständiger Begleiter. Über die Jahre hinweg hörte ich viele Lebensgeschichten, sammelte Schiksale. Aber selber frei und mündlich erzählen, da traute ich mich nicht dran. Ich sehe mich nicht als Märchenerzählerin vor großem Publikum, aber mit Menschen unterschiedlichen Alters Geschichten erfinden und diese mit Erlebnissen aus der Natur zu verbinden, das beseelt mich derzeit. Heute findet im vertrauten Kreis mein erster Versuch in diese Richtung statt. Ich muss üben und brauche dafür Menschen, die Lust haben, mitzumachen. Ich bin aufgeregt, freue mich aber auch sehr. Und ja, das sehr persönliche und heilende Geschichtenerfinden für Menschen, das kann ich mir jetzt auch wieder vorstellen. Schließlich sind die Kinder groß, und ich habe wirklich viel mehr Zeit für mich und meine speziellen Neigungen, obwohl ich immer noch berufstätig bin.
Und, ich schreibe nun seit 21 Jahren kontinuierlich. Mit 21 wird man erwachsen, oder?
Natur
Nachtblau mit einem Hauch von Violett
(blau, weil es meine Lieblingsfarbe ist; natur, weil ich es natürlich liebe; Seemannsgarn, weil ich als Kind Klaubautergeschichten liebte)
Der Korb steht vor der Tür. Sie kann ihn nicht übersehen. Gerade kommt sie vom täglichen Spaziergang im Wald zurück, wie jeden Tag, so gegen sechzehn Uhr. Neugierig schaut sie in den Korb. Es liegen Wollknäuel darin und obenauf ein Zettel: „Strick eine Geschichte aus mir!“ steht darauf, in gleichmäßigen Druckbuchstaben ohne Schnörkel, geschrieben mit Tinte auf weißem Papier. Es beeindruckt und freut sie, dass da tatsächlich jemand Papier und Tinte benutzt hat. Irgendjemand, geht es ihr durch den Kopf, muss wissen, wann sie nachhause kommt, dass sie gerne strickt, besonders Socken, denn dabei kann man abtauchen in ganz andere Welten und dass sie gerne Seemannsgarn spinnt. Lieber sagt sie aber: „Ich spinne Seefrauengarn.“
Das Sockenstricken ist also für sie fast immer eine willkommene und entspannte Möglichkeit aus dem Alltag zu flüchten. Besonders aber, wenn der Tag stressig und die Arbeit mal wieder ätzend war.
Noch bevor sie den Haustürschlüssel aus der Jackentasche holt, greift sie in den Korb und zieht einen dicken Strang blauer Wolle hervor, genau jenes Blau, das sie über alles liebt: Nachtblau mit einem Hauch Violett.
Und schon geht es los. Sie schafft es nicht sofort, den Schlüssel ins Schloss zu stecken, um die Türe zu öffnen. Die Bilder kommen einfach.
Sie sieht den nördlichen Ozean an seiner tiefsten Stelle. Jodhaltige Luft kitzelt ihre Nase. Hohe Wellen rollen in den bleigrauen Himmel hinein. Ein kleines Boot aus Binsen schaukelt mit ihnen mit. Sie kann es kaum fassen und begreifen, aber das kleine Boot hält wacker seinen Kurs. Es kippelt nicht, so als wisse es längst, dass es bald Land sichten und dort einen ruhigen Hafen finden wird. Es gelingt ihr noch nicht, in das Boot hinein zu schauen, um zu sehen, was sich dort versteckt.
So kehrt sie erst einmal zurück, denn es ist kalt draußen, öffnet die Haustür und betritt den Flur. Den Korb nimmt sie mit. Nachdem sie abgelegt hat betritt sie die Küche und kocht sich starken Kaffee, obwohl sie weiß, dass es dazu eigentlich schon zu spät ist. Die Nacht wird schlaflos bleiben.
Aber das ist ihr jetzt egal, denn wenn Frau nicht schlafen kann, dann kann sie träumen und Geschichten spinnen.
Midwinternächte
Weißt du es war noch Nacht – jene besondere Nacht mit ihrem Hauch von Ewigkeit – als der Tag sein lichtes Haupt über den Horizont schob, wie eine Riesin mit wallendem Silberhaar und dem Vollmond auf dem Scheitel – ein paar Wolken zogen südwärts und brachten vom Norden her Frost. Der Himmel färbte sich rosenrot und ich dachte noch: was wird er bringen? Verderben und Tod oder die Hoffnung auf Frühling und Neubeginn.
Da kam der Wind und flüsterte in den Zweigen, und die Amsel suchte nach Futter unter dem Apfelbaum. Das hatte ein heranwachsender Schlingel den Vögeln gestern als Weihnachtsgabe ausgestreut.
Ein paar Spatzen waren frech, sie zankten den großen Vogel, versuchten ihn zu verscheuchen. Sie, die kleinen Spatzen in Scharen mit einem einzigen Ziel – Futterplatz – schafften es immer wieder, sich einzelne Körner zu stibitzen. Während die einen die Amsel provozierten, fraßen die anderen. So bekamen alle, was sie brauchten – die Kleinen und die Großen.
Ich schaute vom Fenster her zu – hörte, was der Wind den Zweigen erzählte – die große Geschichte von Wotan und seinem Gefolge, die in den rauen Nächten zwischen Heilig Abend und Dreikönigstag ihr Unwesen treiben – sah den Vögeln beim quirligen Treiben zu und schenkte der Riesin am Horizont in ihrem Rosengarten mein allerschönstes Lächeln. Ja, ich kniepte ihr zu, während von der Küche her Kaffeeduft herrüber strömte. Ich wollte die Zeit anhalten, diesen Augenblick in die Länge ziehen und seine Essenz wie das Mark von Hagebutten bewahren.
Erstaunt stelle ich fest: es geht! Im Gehäuse meiner Gedanken, dass wie ein Haus mit vielen Räumen ist, öffne ich die Tür zum kleinsten Raum ganz oben, und da leg ich ihn ins Regal zwischen Stollen und Honigkuchen, und für die Weihnachtsmaus lasse ich ein Stück Käse da.
Wann immer ich will, wenn ich es brauche, nehme ich den kleinen Silberschlüssel vom Schlüsselbund, gehe die steilen Treppen hinauf bis unter den Giebel und öffne die Tür: da finde ich ihn wieder, den Augenblick.
Japanischer Garten ein Rausch in ROT
Üppige Vegetation auf engem Raum
ROT mit Brunnen
Im Farbenrausch
Rieselnde Blätter am fließenden Teich
Rostrote Tiefe
Im GRÜN baden
Über Nacht ist die Hecke gegenüber dicht geworden. Ihr Frühlingsgrün verbindet sich nun mit den anderen Nuancen von Grün in Baum, Strauch und Gras. Mit Hilfe des Regens hat die Natur diesen Raum gestaltet.
Ich schaue zum Morgenfenster hinaus und werde still zwischen all dem GRÜN. Bis es sich in mir ausbreitet, mich einbezieht, von mir Besitz nimmt. Bis ich selbst GRÜN bin und etwas aus mir wächst.