Midwinternächte

Weißt du es war noch Nacht – jene besondere Nacht mit ihrem Hauch von Ewigkeit – als der Tag sein lichtes Haupt über den Horizont schob, wie eine Riesin mit wallendem Silberhaar und dem Vollmond auf dem Scheitel – ein paar Wolken zogen südwärts und brachten vom Norden her Frost. Der Himmel färbte sich rosenrot und ich dachte noch: was wird er bringen? Verderben und Tod oder die Hoffnung auf Frühling und Neubeginn.
Da kam der Wind und flüsterte in den Zweigen, und die Amsel suchte nach Futter unter dem Apfelbaum. Das hatte ein heranwachsender Schlingel den Vögeln gestern als Weihnachtsgabe ausgestreut.
Ein paar Spatzen waren frech, sie zankten den großen Vogel, versuchten ihn zu verscheuchen. Sie, die kleinen Spatzen in Scharen mit einem einzigen Ziel – Futterplatz – schafften es immer wieder, sich einzelne Körner zu stibitzen. Während die einen die Amsel provozierten, fraßen die anderen. So bekamen alle, was sie brauchten – die Kleinen und die Großen.
Ich schaute vom Fenster her zu – hörte, was der Wind den Zweigen erzählte – die große Geschichte von Wotan und seinem Gefolge, die in den rauen Nächten zwischen Heilig Abend und Dreikönigstag ihr Unwesen treiben – sah den Vögeln beim quirligen Treiben zu und schenkte der Riesin am Horizont in ihrem Rosengarten mein allerschönstes Lächeln. Ja, ich kniepte ihr zu, während von der Küche her Kaffeeduft herrüber strömte. Ich wollte die Zeit anhalten, diesen Augenblick in die Länge ziehen und seine Essenz wie das Mark von Hagebutten bewahren.
Erstaunt stelle ich fest: es geht! Im Gehäuse meiner Gedanken, dass wie ein Haus mit vielen Räumen ist, öffne ich die Tür zum kleinsten Raum ganz oben, und da leg ich ihn ins Regal zwischen Stollen und Honigkuchen, und für die Weihnachtsmaus lasse ich ein Stück Käse da.
Wann immer ich will, wenn ich es brauche, nehme ich den kleinen Silberschlüssel vom Schlüsselbund, gehe die steilen Treppen hinauf bis unter den Giebel und öffne die Tür: da finde ich ihn wieder, den Augenblick.

Aurora, die auf dem Seil tanzt 9

23.2.

Liebster Traumtänzer,

ich muss dir noch ganz schnell etwas erzählen: eben traf ich eine Kollegin. Sie nennt sich „Seiltänzerin der Nacht“. Endlich mal jemand, der sich auch aufs Hochseil traut ohne Netz und doppelten Boden. Ach, mein Seelenfreund, wie ist die Welt von da oben schön. Der Himmel ist nah. Ich bin versucht, die Sterne wie goldene Äpfel vom Himmelszelt zu pflücken. Möchtest du einen haben? Ich teile gern! Ich könnte mit ihnen natürlich auch auf dem Seil jonglieren. Hm? Ich sehe dich nicht mehr. Mein Herz ist bekümmert. Über dem Ozean hängt seit gestern Nebel. Die Möwe Jonathan und der Rabe Jasu leisten mir Gesellschaft.
Ich bin so unruhig, kann nicht eine Minute mehr still sitzen. Ich will mein Bündel packen und aufbrechen gen Süden. Wenn du am Strand bist, grüße das Meer und die Wellen von mir, ja? Ach wärest du doch eine Weile hier bei mir – könnte ich nur wirklich ein paar Worte mit dir sprechen.

Ich sehe dich nicken – eine ganz liebevolle Umarmung schickt die deine Aurora

Und auch andere schauten gestern zum Mond hoch…: Mein kunterbuntes Bloghaus

Ein Lächeln fliegt durch die Nacht. Es streift den Mond und kitzelt die Sterne. Es setzt sich auf eine Wolke und schaut von oben hinunter auf das Paar, auf einer Bank am Fluss, dass sich gerade findet unter dem vollen Mond. Ein Licht brennt noch im bunten Haus. Eine Frau mit weißem Haar steht dort und reist zurück in eine ganz andere Zeit. Auch sie lächelt und erblüht. Jahre treift sie ab, wie ein zu graues Gewand.

Der Nacht geschenkt 5

ich säte blühendes gras in zerbröckelnde fugen / zwischen irische steine/ auf südliche hänge/ in antike mauernischen/ doch nie sah ich, was wuchs unter den wechselnden himmeln/ die gezeiten trugen mich fort/ auf windbewegten flügeln immer weiter/ fern von mir und meinem tun/ sah ich die liebe erröten/ es lag musik in ihrem wesen und verwunschener tanz/ so fand ich das verblassende echo nur in mir selbst/ und küsste hinter der hecke heimlich die rosen

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