Brieftauben

Lieber Wanderer, das Leben ist voller Wunder. Du hast mich wachgeküsst mit deinen Zeilen. Hinter der Hecke hat mich lange nichts erreicht. Ich war wohl im Dornröschenschlaf versunken. Weggeträumt, von der Hecke verschlungen. Es ist schon Herbst, die Zugvögel sind unterwegs zu fernen Zielen. Aurora hat verschlafen. Dein Violinenspiel klingt leise noch in meinen Ohren. Ich werde das bunte Lumpenkleid anziehen und draußen mit Wind und Blättern tanzen. Dabei schüttle ich den Schlaf aus den Gliedern und werfe schweren Traumsand über Bord. Vielleicht nimmt der Wind mich mit zu neuen Zielen. Und wenn nicht, dann tu ich eben so und mal mir eine Welt, wie ich sie mag. An Fantasie mangelt es nicht. Wenn ich dann genug getanzt und ausgiebig mit den Buchstaben jongliert habe, werde ich Holz sammeln und Beeren pflücken, Pilze sah ich in der Nähe. Im kunterbunten Bloghäuschen wird Feuer entfacht. Komm doch vorbei, wenn der Tag sich neigt. Ein Platz an meinem Tisch ist immer frei. Beim Kerzenlicht trinken wir Beerenwein und singen die alten Lieder. Wenn es still wird, dann lauschen wir der Nacht und stricken daraus das neue magische Lied.Dich grüßt von Herzen Aurora, die Morgenröte

Liebste Morgenröte,

spanne Dein Seil von Turmspitze zu Turmspitze, von Wetterhahn zu Wetterhahn, über Meere so weit, über alle Ufer hinweg. Gestern kam ein Austernfischer zu mir und erzählte mir vom Frühling. Dann ging er fort und kam mit einer wundervoll rosa Herzmuschel im Schnabel zurück. Die legte er sanft in die Schale meiner Hände.Auch die Wolken des Himmels sprechen in freundlichen Chiffren, und in den Baumkronen der hohen Pappeln das Gewisper flüstert von wohligen Wogen. So wird es wohl sein, denn selbst die an die Ufer getragenen Wellen wünschen uns Mondbadende in Empfang zu nehmen.Ich werde ins KleinHäuschen gehen und den Tisch Dir decken, ich werde die rotkarierte Decke auflegen und das Geschirr mit den fein gezeichneten Rosenblüten darauf stellen und die Becher mit den ziselierten Blattranken. Auf dem großen Lindenholzbrett dann das duftende Brot, welches aus meinem mit Treibholz beheizten Ofen kommt, gewürzt mit Koriander; dazu Butter und fester Käse und in den Bechern roter Wein, der nach den Küsten des Südens schmeckt.Ich werde meine Violine wieder hervorholen, und sie nach der fernen Flöte stimmen, und wenn die Insel schläft, werden wir zart unser gemeinsames Lied anstimmen, und die Rosen der Nacht duften dazu und die Nachtigall wird unser Lied mit hohem Gesang begleiten.Dann werden wir Schweigen und Schauen lernen, und uns die Zeit nehmen, die es braucht,ich denke, so wird es sein,Wanderer (Jörg Krüger, der Dingefinder)

Selbstbildnis 3

Liebe MORGANA,

die Morgenröte grüßt dich. Ich bin auf der Insel, war es schon immer und habe mich in den Wellen des Ozeans verloren.
Dieses Funkeln, viel zu schön, viel zu viel des Lichtes, Irritation!
Aus dem Schatten der Hecke zu treten, um sich ins offene, ungeschützte, weite Meer zu trauen, zu viel, überwältigend.
Jetzt wieder an Land, den Wind auf der Haut, die geschlossenen Augen der Sonne entgegengereckt, Regenbögen unter meinen Lidern. Wie es mich streichelt, wie zärtlich der Wind mich trocknet. Ich werde mich wieder einsammeln, ganz langsam. Werde mich besinnen.
Es aushalten, dieses Zuviel, diese Fülle.
Ich hatte vergessen wie es ist, aus der Fülle zu schöpfen. Die Insel ist klein, eine Vogelinsel mit Leuchtturm. Kein Traumtänzer zu sehen. Aber brauche ich den? Fatamorganen, Nachtgeplärr, Fluchten. Gruß, AURORA