Spuren im Sand, Wellengeschichten erzählend/ der Wind singt seine Melodie dazu/
Meerschaumgedanken fluten heran, überschwemmen, zerplatzen/
Lichtgeriesel, Salz auf den Lippen/
nichts bleibt sicher, nur Veränderung und … Vergänglichkeit
Melodie

Vom Sommer zu singen
sing mit mir und dem wind
dem rauschen der bäume
und wispern der quelle
eingehüllt in lichte schatten
resonanz erspürend
von den wurzeln unter der erde
alles singt mit
und schreibt seine melodie
in dein fließendes blut
Der verletzte Ton
Der Ton war gekränkt und verletzt.
Wie hatte man ihm das nur antun können. Tief ins Innere des Körpers hatte er sich zurückgezogen und eng zusammen gerollt. Niemand sollte ihn mehr finden, jedenfalls nicht heute.
Die Lust, sich unter die anderen Töne zu mischen, um sich mit ihnen zur Melodie zu formieren, war ihm im Augenblick vergangen. Wie hatte man ihn nur so missverstehen können? Er verstand es einfach nicht.
Dicke Tränen kullerten ihm über seine Wangen.
Was war er eigentlich?
Er hatte eine konkrete Vorstellung von sich. Offensichtlich aber sahen die anderen an ihm etwas ganz anderes, etwas, mit dem er sich nicht identifizieren konnte. Die großen Pläne waren zusammengefallen, wie ein Kartenhaus aus Nieten. Nichts war mehr wie es für ihn sein sollte.
So gern hätte er einmal nur auf der Bühne stehen und den Ton angeben wollen. Das wollten die anderen doch auch, und sie nahmen sich dieses Recht einfach heraus.
Vielleicht hätte er nicht erst fragen sollen. Er war aber nun einmal wie er war, immer vorsichtig und etwas zaghaft.
Schließlich hatte er nicht vor, einen Konflikt zu provozieren oder jemanden zu verletzen. Ihm lag viel an Harmonie, besonders in der Melodie eines Liedes.
Aus Erfahrung wusste er, wie es verletzten Tönen geht. Sie klangen schief und schräg und waren so für ansprechende Melodien nicht mehr zu gebrauchen. Niemand wollte Missklänge hören.
Es tat so weh, ausgegrenzt zu werden. Das Fundament unter seinen Füßen verschwand und er fiel in einen bodenlosen Abgrund.
Schüchtern hatte er an die Türen der anderen Töne angeklopft und gefragt:
„Darf ich heute mal den Ton angeben?“
Ausgelacht hatten sie ihn:
„Du, willst den Ton angeben? Ausgerechnet du? Es gelingt dir ja nicht einmal, einen Ton zu halten. Wie willst du da die anderen zum Einstimmen bringen?“
Da hatte der Ton sich umgedreht und war schweigend gegangen.
Und jetzt saß er versteckt in einer geheimen Nische des Körpers und wollte für heute nicht mehr gefunden werden.
Prägung 1
Ich warte
auf ein Zeichen einen Ton
Deine Stimme und du
ihr geht getrennte Wege
Die Färbung der Stimme noch im Ohr
verlor sich längst jede andere Spur
im Sand, am Meer, auf dem Grund
NEIN!
Nur dort, wo die Wogen alles glätten.
Ich singe den Namen
indem noch dein Klang schwingt
Er reist um die Welt
und kommt zurück als Melodie, verändert
ich werde ihren Grundton erkennen und wissen
Wenn es aus dir singt und klingt
den ton gefunden, ihn hinaus gesungen, bis er an raum gewinnt
alles hinein nimmt – mit nimmt – einen klangraum schenkt
ein zweiter Ton gesellt sich hinzu – zweiklang, melodie
leise oder laut, gehaucht und geflüstert
tief in die erde hinein – hoch gen himmel hinauf
ein band knüpft zwischen unten und oben
zwischen dir und mir, zwischen innen und außen
und weite schenkt, klangwellen über grenzen hinaus
Zerrissene Melodie
Jemand hat die Melodie zerrissen
jene, die wir gestern hörten
und die in der Nacht durch Träume sang
Klangbrocken hängen herum
wie zitternde Papierfetzen
– die Zeitung von vorgestern –
auf einer Wäscheleine nach dem Regen
Der Wind nimmt Klangsegmente mit
wohin er auch weht, vielleicht zu dir
du wirst sie nicht mehr erkennen
als das was sie waren
sie haben sich mir entfremdet
fügen sich schon zur neuen Melodie.
Melodie
Ich bin die Melodie – im Traum – die durch die Luft zu den Ohren der Menschen getragen wird, die plötzlich für einen Moment stehen bleiben und lauschen. Wie unterschiedlich die Ohren sind und werden können. Manche schrumpfen, andere wachsen mir entgegen. Ich setze mich auf das Ohrläppchen eines kleinen Mannes, der mit großen Schritten über die Wiese zum Teich schreitet und klettere in seine Ohrmuschel hinein, da wo die winzigen Härchen sind. Er schüttelt sich plötzlich, als habe jemand ihm einen Floh ins Ohr gesetzt. Mit meinen gurgelnden und perlenden Tönen kralle ich mich fest. Bevor ich loslasse, mich ins Moos fallen lasse unter der alten Kastanie, die noch so wintermüde aussieht, schenke ich dem Mann für heute einen Ohrwurm, und da singt er auch schon, er pfeift seinen Hund herbei und singt weiter, immer die gleiche Melodie, die sich dreht im Kopf wie ein Karussell.