Drei kleine Schreibprojekte

Eigentlich wollte ich euch längst von meinem 2. Schreibprojekt erzählen, in dem ich jeden Tag ein wenig schreibe, aber leider haben sich die Ereignisse privater und beruflicher Natur in den letzten Wochen überschlagen. Zwar habe ich täglich weitergeschrieben, aber für einen Beitrag im Blog hat die Zeit nicht gereicht.


2. Schreibprojekt „Zwischen zwei Ablenkungen…“


Ich habe immer zuviel im Kopf, bin dauernd mit den unterschiedlichsten Ideen, Gedanken, Impulsen beschäftigt, plane äußerst gerne und scheitere dann nicht selten an der Umsertzung, weil schon die nächste Idee geboren ist. Und dann ist ja auch noch der ganz normale Alltag zu bewältigen.
Es gab mal eine Zeit, da habe ich Wäscheleinen in meinem Kopf visualisiert, an denen mit bunten Wäscheklammern all die vielen Ideen geklammert waren, denn ich wollte sie weder verlieren noch vernachlässigen. So schlimm ist es inzwischen nicht mehr, aber ich war auch schon viel besser darin, mir zwischendurch Gedankenpausen zu verordnen. Um das wieder etwas mehr zu pflegen, habe ich mir vorgenommen täglich bewusst wenigstens eine solche Pause einzulegen. Ich sitze dann bequem auf einem Stuhl, schließe die Augen, konzentriere mich auf den Atem oder lausche auf die Geräusche, die mich umgeben. Gedanken schicke ich weg, aber ich registriere was von innen zu mir hoch steigt: Bilder, Wind, Farben, Gefühle, Musik, was auch immer. Und das halte ich im Schreibprojekt-Heft fest. Diese Pausen tun mir sehr gut, sind wie eine Mischung aus Meditation und Power-Nepping. Anschließen fühle ich mich wie neugeboren, frisch und wach, bereit es mit den nächsten Herausforderungen aufzunehmen.
Außerdem trainiere ich so das intuitive Schreiben.
Tatsächlich schreibe ich nun seit dem 31. 1.21 täglich in mein Heft. Heute habe ich etwas Neues ausprobiert, mein neues Kartendeck „Magisches geschehen lassen“ genutzt, eine Karte gezogen und sie auf mich wirken lassen.
Die Karte hieß: „THEO EMPFÄNGT“
Die wunderschön gestaltete Karte ist in warmen Gelb-und Orangetöne gemalt. Links und rechts unten zeigen sich rote Blumen. Theo ist ein Schmetterling mit einem menschlichen Gesicht. Aus der Stirn wachsen ihm zwei Fühler. Er steht aufrecht mit ausgebreiteten Flügeln. Er scheint startklar aber noch nicht startbereit. Sein Blick ist nach innen gerichtet, so als lausche er auf eine Botschaft, die er noch nicht ganz entschlüsselt hat. Wie Theo stehe ich selbst in den Startlöchern ohne genau zu wissen, wohin die Reise nun gehen soll. Ich warte, lausche, spüre- bin aber nicht ständig auf Empfang. Ich versuche zu sehen und aufzunehmen. Das fällt mir schwer, weil ich mit den Gedanken so viele Wege gehe, und nicht immer bleibe wo ich gerade bin.
Halt, da war ich doch schon einmal…… ich habe schon verstanden, dass ich mich nicht immerzu bewegen muss, weg von, hin zu….ich kann bleiben und abwarten. Die Welt um mich herum bewegt sich. Sie bleibt niemals stehen. Mir werden Dinge zugetragen, ich erfahre Neues, obwohl ich bleibe, vielleicht gerade weil ich bleibe und meine Fühler/ Antennen ausgefahren habe. Was um mich herum in Bewegung ist bewegt auch mich ohne dass ich mich bewege.
Für mich ist es magisch, wie gut diese Karten zu meinem Anliegen passt, das ich mit diesem 2. Schreibprojekt verfolge.

„Magisches geschehen lassen“

Liebe Shinaja,

heute kam das Päckchen mit dem Orakel-Deck bei mir an. Eine nette Postbotin legte es mir so freundlich in die Hände, als spüre sie, dass etwas Besonderes im Päckchen verborgen liegt, etwas, das man vorsichtig und mit Zartgefühl behandeln sollte. Ich hab mir Zeit gelassen mit dem Öffnen und die Spannung noch etwas verlängert, bis ich Zeit und Ruhe hatte, wollte es doch nicht öffnen zwischen Tür und Angel. Dann war es soweit. Das Deck zeigte sich mir. Jede Karte eine Offenbarung, die mein Herz hüpfen lässt und die Seele streichelt. Wer diese kleinen Kunstwerke geschaffen hat, der muss ein weites, weises Herz besitzen. Liebe Grüße von Angie, dem Findevogel

Vom Vergessen der Dinge

Brigitte wundert sich über diesen sonderbaren Tag. Ob es wohl am Schnee liegt, der sich mit dichten, weißen Wolken und frischen Eisgeruch angekündigt hatte, aber immer noch nicht gefallen ist? Er legt einen Eiszauber über ihre Gedanken.
Frustriert glaubt sie, es sei wohl die logische Konsequenz irdischer Entwicklung, dass die Jahreszeiten nicht mehr halten, was sie versprochen haben.
Im Schneegestöber vergangener Kindertage lässt sich nicht rodeln und aus Pulverschneevisionen kein Schneeball formen. Künstlich beleuchtete Eiszapfen an Dachrinnen hinterlassen einen falschen Geschmack auf der Zunge.
Im letzten Jahr hat sie mit Jens und Kai einen winzigen Schneemann modelliert.  Ein Hauch von Schnee lag damals über dem fahlen Gras im Vorgarten. Den hatten sie abgekratzt.
Die Jungs bestanden darauf, das Schneemännlein im Tiefkühlschrank einzufrieren. Sie gab nach und so konnte es seine erste Stunde erfolgreich überleben.
Wie kann sie ihren Enkeln erklären, was Eisblumen sind, und wie es sich anfühlt, wenn man in frostigen Räumen ohne Heizung mit der Wärmflasche unter das dicke Federbett schlüpft und von der Schneekönigin träumt? Und wie kann sie erzählen wie schwer es ihr als Kind gefallen ist, morgens aus dem Bett zu springen, wenn es so kalt ist,  dass selbst Wasser in der Waschschüssel auf der Kommode fast gefroren ist, aber  wie wunderbar belebend es prickelt und Gänsehaut verursacht, wenn man sich schließlich traut?
Grau und kalt ist die Landschaft heute, hat alle Farben eingebüßt, nur das unschuldige Weiß versagt sich der Stadt.
Brigitte sehnt sich nach dieser weißen Watteverpackung, die alle kreischenden Geräusche verschluckt und die Welt klein macht, die alles versteckt, Ecken und Kanten begradigt und rundet.
Wenn viel Schnee vom Himmel fällt, wird sie wie immer fasziniert am Fenster stehen, um der allmählichen Verwandlung der Landschaft zuschauen.
Am nächsten Morgen dann, bevor der städtische Verkehr boomt, wird alles glatt sein und auf der eisglänzenden Decke werden nur die fein ziselierten Spuren der Vögel zu sehen sein.
Kein Wunder, dass der Schnee ausbleibt, denkt Brigitte bei sich. Die Kinder kennen keine Märchen mehr und die Erwachsenen verloren die Erinnerung an die Schneekönigin im weißen Pelzmantel, die eine Kutsche mit sieben Schimmeln auf den Flügeln des Nordwindes in die Nacht hinein lenkt und dabei unzählige kristallklare Glöckchen läuten lässt.
Auch Frau Holle ist arbeitslos geworden, denn keine Marie lässt mehr die Spindel in den Brunnen fallen. Wer hört dem Flehen des Apfelbaumes zu:  „Rüttele mich und schüttele mich, meine Früchte sind schon längst reif.“  Und wer versteht die Sprache des Backofens noch, wenn das Brot fertig gebacken ist und vor dem Verbrennen gerettet werden möchte?

Die meisten Leute kaufen ihr Brot im Supermarkt.
Was man sich aber nicht mehr erzählt von Winter, Frost und Schnee, von den Märchen und der Magie, entschwindet aus dem Gedächtnis.  Es stirbt. Nur was erinnert wird lebt weiter.


FRÜHLING

Was rauschet, was rieselt, was rinnet so schnell?
Was blitzt in der Sonne? Was schimmert so hell?
Und als ich so fragte, da murmelt der Bach:
„Der Frühling, der Frühling, der Frühling ist wach!“

Was knospet, was keimet, was duftet so lind?
Was grünet so fröhlich? Was flüstert im Wind?
Und als ich so fragte, da rauscht es im Hain:
„Der Frühling, der Frühling, der Frühling zieht ein!“

Was klingelt, was klaget, was flötet so klar?
Was jauchzet, was jubelt so wunderbar?
Und als ich so fragte, die Nachtigall schlug:
„Der Frühling, der Frühling!“ – da wußt‘ ich genug!

Heinrich Seidel

(Fotos: Entlang der Salm)