Traumsequenzen 2

Eine Art von Seligkeit

Schon wieder Umzug in ein neues Haus
schlicht diesmal: Kiefer, klare Räume, weiße Wände
nichts, was ablenkt von den Bäumen hinter der Glasfassade
und doch fremd, unbewohnt, ohne Gebrauchsspuren
das andere, das nie fertig wurde, ich nie bewohnt habe, wird verkauft

Ich radle durch Pfützen und Schlamm
es regnet ohne Unterlass, Weltuntergangsstimmung seit Wochen
dabei hat die Sonne schon geschienen, der Apfelbaum geblüht und der Flieder geduftet
ich radle weg von Dränglern, Draufgängern und wortgewaltigen Despoten
weg von Hektik, Krieg und den Bildern der Gewalt
finde einen Ort, die neue zweistöckige Buchhandlung zwischen Wiesen und Feldern
ziehe ein kleines Bändchen mit Gedichten aus dem Bücherstapel am Eingang
packe mein Notizheft aus, ebenso klein
finde einen Platz oben zwischen den Regalen, gut gepolstert mit Ablagetischchen
ziehe die Knie an und schreibe ab
Zeile für Zeile, Wort für Wort
rote Tinte fließt aus meinem Füllfederhalter aufs Papier
ich sehe, wie es fließt, so als sei ich nicht beteiligt, so als schreibe es sich selbst
ich trinke Tee, eine freundliche Frau gießt mir Kaffee hinein, ich trinke
dann kommt das Kind zu mir her geflogen,
der kleine Sonnenschein kuschelt sich in meinen Schoß
und alles wird hell
alles macht Sinn
So kann es bleiben für einen langen Augenblick

Wurzeln 17

Das alte Haus, der Ort, an dem ich die ersten sieben Jahre mit meiner Großfamilie gelebt habe, ist ein beseeltes Geschichtenhaus. Obwohl es inzwischen abgerissen ist, bleibt es in meiner Erinnerung intakt. Es ist wie ein sicheres Gehäuse in meinem Inneren, in das ich flüchten darf, wenn alles zu viel wird, das ich jederzeit betreten kann, um Schätze zu suchen, nach Wurzeln zu graben oder Geschichten zu finden. Auch zum fantasievollen Geschichtenerfinden eignet es sich sehr. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich den Schlüssel zum ihm nicht verloren habe und auch dafür, dass ich mir ein Stück vom kindlich magischem Denken erhalten konnte.
1962 bin ich mit meinen Eltern in die Großstadt gezogen: Einfamilienhaus, Neubau. Das neue Haus hatte keine Seele. Es war weder belebt, noch hingen Geschichten darin. Von jetzt auf gleich gab es keine Großfamilie mehr, auf die ich zurückgreifen konnte. Die vertrauten Dorfbewohner, das Land, Garten, Wiesen, Felder, Stalle, Schuppen und Heuböden fehlten. Tiere hatten wir keine. Es war alles eng, das neue Haus für mich ein Puppenhaus. Angst umhüllte es, die Angst meiner Mutter, die uns vor allem beschützen wollte, um sich selbst vor all dem Neuen zu schützen, dem sie sich nicht gewachsen fühlte. Es war ein Kulturschock und zunächst einmal die radikale Beschneidung von Möglichkeiten.

Wurzeln 16

Das alte Haus erzählt(1)

Das alte Haus schaut über den Hof auf den neuangelegten Garten. Spätsommerliches Licht streift Pflanzen, Bäume und Gebüsch, auch den kleinen Birnbaum mit den runden Früchten, die bald geerntet werden können. Die Duftwicken am Zaun sind voll erblüht. Auf dem Hof scharren die Hühner und gackern zufrieden vor sich hin. Der Hahn stolziert zwischen seinen Hennen. Im Vorgarten hat die Katze sich einen Sonnenfleck gesucht und lässt sich das Fell wärmen. Der Hofhund liegt an der Kette, denn gleicht kommt der Postbote, und den mag er nicht. Das Haus ist uralt. Viele Generationen habe darin gelebt und überlebt. Ihre Geschichten hängen wie Girlanden und Spinnweben in allen Ecken. Das Haus hat eine Seele, gewebt aus all diesen Geschichten, den erzählten und den verschwiegenen. In versteckten Nischen hängen unerfüllte Träume und ungelebte Möglichkeiten, aber auch Herzensangelegenheiten und Glücksmomente, die sich davor fürchten, ans Licht gezerrt zu werden. Zuviel Licht vertragen sie nicht. Sie könnten zerfallen und sich auflösen.
Der Wind verweht die Gardinen vor dem geöffneten Blumenfenster in der guten Stube und gibt den Blick frei auf die hinter dem Gartenzaun liegende Hauptstrasse, den Tante-Emmaladen und die Kneipe auf der anderen Strassenseite. Gerade ist Mittagszeit. Die Rinder sind bis zum Abend auf der Weide, die Schulkinder noch in der Schule. Die Arbeiter vom Steinbruch in der Nähe des Dorfes haben Pause. Die Transportlaster ruhen im Schatten des Waldes. Auf der Strasse ist es ruhig.
Das Haus ist solide gebaut. Es fürchtet weder Unwetter noch Sturm, nur das Feuer könnte gefährlich werden, denn in Scheune und Ställen liegt Stroh und Heu, leicht entzündlich für Feuerteufelchen.
Aber heute ist kein Gewitterwetter. Das Haus genießt die Mittagsruhe dieses freundlichen Tages und den Augenblick, der gleich schon vorbei sein wird. Das Haus hat den Birnbaum im Blick, dessen Früchte gestern noch Blüten waren und morgen schon eingekocht in Gläser im Vorrat lagern werden.

Wurzeln 10

Das alte Haus mit dem spitzen Giebel steht windschief und halb verfallen im verwilderten Garten. Es ist schon lange unbewohnt. Fensterscheiben fehlen, die Tür ist aus den Angeln gehoben, der weiße Außenputz schmutzig ergraut.
Innen haben Mäuse die Tapeten angefressen, und ein Baum hat sich ausgebreitet.
Mit den Wurzeln hat er den Fußboden durchbrochen. Äste und Zweige wachsen aus scheibenlosen Fenstern und dem undichten Dach.  
Das Haus mit dem verwilderten Garten steht mitten im Mischwald. Kastanien vor der Tür geben Schatten.
Im Baum steckt Kraft und Energie, Potenzial, das Mauern sprengt und die Erde bewegt. Es fließt in ihm und verströmt lichtgrüne Essenz.

Das Haus wird nicht standhalten können. Der Baum ist Bezwinger,
machtvoll und wunderschön.

Zuhause

Ein Haus ist nicht nur ein Gehäuse
dass sich wie eine dicke Haut schützend um Menschen schließt
-ihre Gemeinschaft darin einschließt –
ist Zeitzeugnis, Spurenbehältnis, Schlüsselkasten
hält Erinnerung fest, Emotionen, Gerüche und Klangfarben
gelebte Geschichte von Schicksalsgemeinschaften
archeologischeche Fundgrube gelebter Jahre
wenn jemand geht, bleibt ein Duft zurück.
der noch lange  in den Räumen  hängt
ein Haus ist zur Essenz verdichtet Zeitsubstanz in der Gezeitenströmung
geprägt von denen, die darin (über)leb(t)en

23.2.14_1

Ein virtuelles Zuhause

Mein virtuelles Zuhause, dieses bunte Bloghaus, hat einen großen Vorteil: es ist nie fertig, kann sich jederzeit verändern, darf jederzeit umgebaut, angebaut, renoviert werden, vereint Modernes und Antikes, darf viele Stile vereinen.
Es lässt Raum für Visionen, Inspiration und neue Ideen.  Es ist ein lebendiges Gewächs. Gerade beende ich das grüne Zimmer. Ich werde es Lenzenstube nennen. Mehr dazu demnächst.

Einstweilen suche ich nach Ideen, Gestaltungsmöglichkeiten und Vorstellungen für mein Haus und sammle sie HIER

Und ja, ein guter Geist weht durchs Haus und ist überall zu spüren:
im aufflauenden Wind, der die weißen Vorhänge wiegt; im Duft des frischen Brotes, das gerade aus dem Ofen gezogen wurde;  in der vorwitzigen Kletterrose, die zum Fenster hinein wächst; in der alten Standuhr, die einen wunderbaren Klang hat; in den Bildern, die an den Wänden hängen und den Stillleben, die von Tag zu Tag neu entstehen.

Tage vergehen…

Jetzt bin ich schon eine Weile hier. Ich habe fast alle Räume des Hauses, das ich noch nicht „MEIN“ nennen mag, kennen gelernt, seine Größe ermessen, überlegt, wo ich mit dem Einrichten beginne. Bisher bewohne ich nur das Dachzimmer mit dem weiten Ausblick über Garten, Feld und Wald und die große Wohnküche.
In die Ecke mit den bunten Kissen habe ich mein Bett gebaut, daneben ein ausgemustertes  Bücherregal vom Flohmarkt gestellt. Ich kann mich noch nicht entscheiden, wie ich es einmal anstreichen werde. Einige Bücher, Notizhefte, CD´s und Zeitschriften liegen darin.
Jetzt wo ich Zeit habe und nichts mich drängt, stehe ich oft am Fenster und schaue dem Tag dabei zu, wie er vergeht, wie das Licht sich verändert, die Wolken ziehen, wann die Vögel im Garten sich ums Vogelhaus scharren und eine rotgestreifte Katze auf Beutezug geht.
Vor drei Wochen war noch Winter, jetzt sind die Tage länger geworden, und Frühling liegt in der Luft. Gestern zogen Kraniche über das Haus.
Ich habe noch einen Rest Rosentapete. Damit werde ich die schmale Fensterwand tapezieren. Die Küche ist noch fast leer. Ein paar wichtige Utensilien, etwas Geschirr, bunt zusammen gewürfelt, ein quadratischer Holztisch mit zwei Stühlen, meine Lieblingstopfpflanzen und ein Kühlschrank mit abgerundeten Ecken habe ihren Platz gefunden.
Im Raum nebenan, der eine Art Salon werden wird, möchte ich mir heute ein erstes Bild aufhängen. Das Bild ist Blau, wie so vieles, das ich gern habe, denn Blau ist für mich ein Lebensgefühl.  Ich liebe es in allen Nuancen. Eine ganze Galerie aus blauen Schattierungen wird dort entstehen.
Sparsam sind kleine Akzente in Weiß, Schwarz und in Gelb ins Bild gesetzt. Ich sehe Wasser und Himmel, die ineinander übergehen. Es zeigt einen Hafen an Fluss oder  Meeresbucht. Kleine Boote schweben auf dem Wasser. Ihre Lichter spiegeln sich darin. Am linken Rand sehe ich ein wolkenartiges Gebilde in Dunkelblau-Schwarz. Es könnte eine Trauerweide auf einer winzigen Insel sein.
Ich liebe Flusslandschaften und das Meer, mag mich gern in den Wellen des Wassers für Augenblicke verlieren. Wind und Wellen nehmen meine Gedanken mit und singen mir Lieder.

Tapetenwechsel

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Sie ist es satt.
Immer die gleichen Gesichter, die selben Sprüche, ein schiefes Lächeln, das Aneinandervorbeisehen. Was will Frau da noch erwarten?
Gewohnheiten haben durchaus ihren Sinn, aber nur solange sie nicht lähmen  und alles zum Erstarren bringen. Dabei verstehe sie ja: ein Kunstwerk, gut beleuchtet im Treppenhaus, sieht man irgendwann nicht mehr. Es entschwindet aus dem Fokus, weil es so vertraut wird, dass man seine Einmaligkeit nicht mehr bemerkt.
Sie braucht Tapetenwechsel, dringend.
Das bisherige Heim ist zu klein, zu abgetragen und verwohnt, bietet keine Überraschung mehr. Immer die gleichen Bahnen, ausgetretene Wege und Pfade. Zuviele Menschen verwischen die eigenen Spuren. Die Kreativität hat kein Gesicht mehr. Sie kann machen was sie will. „Eigentlich“, denkt sie, „ist das ja auch eine Freiheit.“
Aber wenn niemand mehr von ihr Notitz nimmt, was nützt diese Freiheit dann?
Selbst das Umräumen und Möbelrücken hilft nicht mehr. Alle Variationen sind schon ausprobiert.
Sie braucht frische Luft, mehr Platz, neue Anregungen, einen anderen Klangteppich. Stimmen, die sie aus der Routine herauszuholen vermögen. Eine Muse wäre wunderbar, eine die den Zauberstab immer griffbereit hat, um neue Seiten in ihr anzustimmen und zum Klingen zu bringen.