26.10.20

Was mich berührt

1.
Der Ahorn hochlodernd
eine gelbe Flamme im Licht
der wilde Wein ein roter Zauber
im Hintergrund
2.
Das kleine Blatt auf der Mauer
zart und fein gefiedert
nur noch die Rippen haben Bestand
und ein Rest vom Gelb dazwischen
3.
Die Mauer mit dem verblassten Anstrich
der abblättert und Hintergrund ist
für Efeu und das Rot des wilden Weines

Hochauflodern möchte ich im Sonnenlicht, für etwas brennen auf meine alten Tage.
Und wenn meine Struktur sich unverschleiert nach außen zeigt, weil mein Fleisch sich verflüchtigt, dann soll sie filigran sein und dennoch stark. Wo Narben und Falten mich zeichnen, soll mein Licht bleiben und wie das Leuchten vom wilden Wein sein im Herbst.   Wenn ich dann irgendwann loslassen muss oder darf, möchte ich zur Erde schweben wie ein Blatt im Wind und wieder zu Erde werden.

8.10.20

Der Weg durch den Park
grüner wirken die Bäume nach dem langen Regen
Rot zeigt sich im Laub, Gelb weicht zurück
es war noch nicht dran

Auf dem Elektrohochmast
schilpen ungezählte Vögel
so klein von hier unten, schwarze Punkte nur
ob sie sich sammeln für die Reise gen Süden?

Meine Gedanken ziehen  mit dem Wolken weg  vom herbstlichen Augenblick, denken  an einen leise, leise…
der nicht mehr da ist, schon eine Weile und dessen Stimme ich vermisse.

1.10.2020

Fahrrad fahren über nassen Asphalt
Wenn Bäume rechts und links ein Farbrausch sind in Gelb
und Sonnenstrahlen sich in Augenblicke tanzen
so luftig, leicht und still
ich könnte lachend Purzelbäume schlagen
wär ich gelenkig jung
die braune Erde schwitzt den Regen aus
es riecht nach Tier, nach altem Laub und Pilz
und tief von unten schon nach Moder

Aurora, die auf dem Seil tanzt 11

7.3.

Lieber Freund,

meine Seele weint und das Herz tut weh. Manchmal lache ich trotzdem, denn man kann nicht immer traurig sein und vor Wehmut ganz schwach. Und dann schaue ich zum Fenster hinaus und sehe, dass der Apfelbaum treibt und die Osterglocken mir ihr freundliches Gelb schicken. Ich sehe die Veilchen unter den Heckensträuchern und viele bunte Krokusse. Ich denke an Ostern und schmücke mein Haus mit Blumen. Dann werde ich ganz leicht, öffne weit das Fenster und lasse meinen Bruder den Wind hinein. Ich mache mir Musik, lausche verschwimmenden Klängen und tanze selbstvergessen bis ich erschöpft bin.
Und dann höre ich die Amsel singen, so süß, dass mir das Herz schwer und leicht zugleich wird, und die Tränen fließen. Manchmal weiß ich nicht, ob vor Glück oder vor Kummer.
Verstehst du mich? Ich sehne mich nach etwas, dass ich nicht bekommen werde, und ich schaffe es nicht, mit mir ins Reine zu kommen. Manchmal hasse ich mich dafür, schimpfe mit mir, aber mein Herz lässt sich nicht betrügen. Es lässt sich nichts ausreden und es vergisst nicht. Verstehst du mich? Ich verstehe mich nicht: es ist Frühling, die Luft mild und die Tage sind schon länger.

Und ich? Ich bin ein trauernder Kloß, werde älter, meine Jugend verschwindet. Ich frage mich, wie lange noch das Seil mich trägt. Ich muss raus aus diesem geschlossenem Kreis, noch einmal etwas neues wagen. Lieber würde ich mit einem Gefährten gehen, aber da ist niemand.

Kennst du diese verzehrende Sehnsucht, nach etwas, von dem du noch nicht einmal weißt, was es ist? Du gibst ihm tausend und einen Namen, und keiner passt wirklich. Alles viel zu ungenau. Niemals schafft die Sprache es, auszudrücken, was genau ein Mensch empfindet.

Ich rolle als Trauerkloß übers Seil – immerhin muntert mich diese Vorstellung auf – das hat was, deine Aurora

Das muss ich euch noch erzählen….

Der gelbe Regenschirm

„Endlich! Ich werde aufgespannt.“

Der Schirm lacht übers ganze Gesicht. Breit zieht sich der Smiley-Mund über den halben Schirm.  Mia hält ihn über sich wie einen Baldachin. Darunter scheint für sie die Sonne.
Mia lächelt mit dem Regenschirm um die Wette und eilt mit beschwingten Schritten über den nassen Asphalt. Klack-Klack macht es.
Es ist warm und so lässt sich heute dem „Grau in Grau“ gut trotzen.
Dankbar zwinkert sie ihrem Sonnendach zu.
Es duftet, das hochgeschossene Grün glänzt und verströmt diesen frischen, ganz besonderen Geruch, den es nur am Ende des Frühlings gibt, wenn die Erdbeeren reifen und der Sommer nicht mehr weit ist. Ein süßes Versprechen liegt darin von Sonnentagen mit wolkenlosen Himmeln, an denen die Zeit stehen bleibt.
Die ersten Duftrosen tupfen Rot-und Rosatöne ins Grün.
Unaufhörlich klopft der Regen seinen Rhythmus auf den gespannten Schirm.
Mia möchte mit den Tropfen singen und sieht sie wie Noten auf imaginären Linien tanzen, vom gelben Flackerlicht umspielt.
Augenblicklich trifft sie eine Entscheidung: „Egal was heute noch geschieht, von Nichts und Niemanden wird sie sich die gute Laune verderben lassen. Sie wird Gänseblümchen und Butterblumen pflücken und für den Schirm daraus ein Kränzchen flechten. Mia freut sich wie ein Kind bei dieser Vorstellung und hüpft begeistert von einem Fuß auf den anderen. Schon sieht sie ihn bekränzt im Flur stehen, unübersehbar für Jedermann, der durch ihre Haustür tritt.Von der blauen Stunde ist heute nichts zu sehen, denn sie hat sich hinter die Wolken verzogen und schmollt.