Da war ich nun….

Angekommen am Meer…

noch nicht ganz, zu viel geschehen
gefühlswellen schwappen hoch
in die haut frisst sich salz
wo wogen nicht geglättet
toben  gedankenstürme

 

kämpft der wind um das letzte wort
ächzen baum und strauch
zeit hat ihr eigenes maß
stille und gelassenheit
lassen sich nicht erzwingen
was im auf und ab von ebbe und flut
an den strand gespült wird
kann fluch und segen sein, zugleich

Erinnerung an einen Drachen

Etwas veränderte sich in MARIE. Es geschah innen, fand seinen Weg nach außen und blieb den Augen von Claire nicht verborgen. Marie im weißen Hemd auf der sterilen Liege – mit Kabeln am Körper zu den Monitoren an ihrer linken Seite – bewegte sich nicht. Und doch, es war als wehe Wind einen Schauer über ihre Haut. Die Augenlieder flackerten zart wie Libellenflügel.
Claire nahm Maries linke Hand in die ihre und legte schützend die Rechte darüber.
Unter Maries kühler Hand pochte das Blut, und es schien so, als sei da plötzlich mehr Energie, als noch vor wenigen Augenblicken.

Hätte Marie beschreiben können, was in diesem Augenblick geschah, sie hätte erzählt, wie sie den Ausgang der Höhle erreicht und den Drachen, der tief unten wütete, hinter sich gelassen hat. Sie würde erzählen, wie sehr die Sonne ihre Augen geblendet hat, als sie über die Steinmauer klettern wollte, um in die Gärten zu gelangen, ihre Gärten am Meer, die sie so vermisst hatte, und die ihr nun davon erzählten, dass die Rosen immer noch blühen, und dass seit damals nicht wirklich Zeit vergangen ist.
Sie hätte vom Duft der Blumen gesprochen und ein Märchen über die bunten Schmetterlinge und den grünen Leuchtkäfer erzählt. Schließlich hätte sie Claire über die Mauer gezogen, um sich mit ihr unter der alten Kastanie im Moos niederzulassen. Ja, sie hätte sie aufgefordert, mit ihr aus dem Brunnen der Erinnerung zu trinken.

Aber noch konnte Marie nicht sprechen. Der Geist fand nicht den Weg zurück in sein kostbares Gefäß. Allein die Gefühle hinter den Worten, denen in diesem Moment Flügel gewachsen waren, trugen sie dorthin, wo ihre Seele zu Hause war, dorthin wo Heilung wartete: in ihre Gärten am Meer.

Wenn die Stimme plötzlich streikt

dann denkt Frau nach: „warum versteckt sie sich? “ und entdeckt einen Dialog.
Das Erlebnis vor ein paar Tagen als die Stimme noch da war, da hätte sie reden können, aber sie hat nicht den Finger erhoben, sich nicht zu Wort gemeldet, nichts laut in Frage gestellt. Hätte sie reden sollen?
Es ist  nicht ihre Art sich vorschnell zu Wort zu melden. Sie weiß, einmal gefallene Worte kann niemand zurück holen. Sie stehen im Raum, den sie noch nicht vollständig ermessen hat.
Sie mag sich nicht wichtig machen und kennt den Wert des Schweigens. So oft wird ihr viel zu viel gesagt und zerredet. Sie braucht kein Publikum, und  eine Masse von fremden Menschen, mit all ihrer Ausstrahlung, ist ihr viel zu groß.
Sie ist eine Stille und gehört zu jenen, die sich vorsichtig herantasten an Dinge, Prozesse und Menschen. Sie lässt sich Zeit, um zu lernen, mit wem sie sich da wortgewand auseinander setzen wird, möchte nicht vorschnell ein Urteil fällen. Da ist soviel anderes, was sie registriert, das ihre Aufmerksamkeit fordert: Die Atmosphäre, Spannungen, Dissonanzen, all das Nonverbale, dass durch den Raum schwirrt und ein Gespräch auf anderer Ebene miteinander führt.
Der Raum ist schrecklich: kalt, dunkel, ungemütlich, muffig. Ein feines Gespinnst negativer Energien aus Angst, Trauer, Wut, Stolz, Versagen, Scham und Ohnmacht hängt von der Decke herab und legt einen grauen Schleier über den Augenblick.
Darf  Frau hier lachen? Sie lacht ab und zu. aber, es bleibt ihr im Hals stecken.  Sie fürchtet, nach außen klinge es wie Hohngelächter.
Wie soll sie da sprechen mit zugeschnürter Kehle und dem Lachen, dass im Hals steckt, wie ein Trauerkloß?
Sie hätte reden können, tat es aber nicht.
Aber warum konnte sie nicht mehr singen, wo doch der Gesang verbindet, während Worte oft trenne?
Lauschen, sie sollte Lauschen und sich am Hörbaren freuen.

 

 

Kannst du es hören?

Wenn das Lied einen Namen hätte/ das sich durch Traumfetzen sang/ immerwährend, wie ein rotes Band/ das Generationen in verschiedenen Räumen auf – und abtretend/ mit all den Gefühlen -den gewünschten und erlauben, den heimlichen und versteckten – miteinander verband/ lose und nicht zu fest/ von fernen Mächten beschützt/ wenn dieses Lied einen Namen hätte/ er würde nach Herzensfülle klingen

Rosenzeit 3

Guten Abend Flores,

ich kann nicht anders: es reizt mich, dir noch heute zu antworten. Du schreibst, Gefühlsüberschwang berührt dich – seltsam, das sagen mir Menschen oft – und ich merke, diese freie und spontane Art, den Gefühlen Ausdruck zu verleihen wird gerade von Menschen geschätzt, die sich scheuen, ihre Gefühle nach außen zu tragen. Oft lassen sie sich dann mitreißen und begeistern.
Weißt du, ich kann auch versuchen, die Worte zu verschlucken, aber dann verrät mich Mimik und Gestik. Ich bin unfähig zu lügen. Glaube mir, es ist nicht immer angenehm und von Vorteil, wie ein offenes Buch herumzulaufen, in dem jeder lesen kann. Und ein gewisser Hang zur Dramatik liegt durchaus in meinem Wesen. Oh ja, ich kann mich in Gefühle hineinsteigern. Eine Bühne für mich ganz allein würde mir gefallen – der rote Teppich dürfte nicht fehlen. Manchmal stelle ich mir vor, ich sei ein Königin und alle meine Rosen Prinzen und Prinzessinnen von hohem Geblüt. Der Heckenstaat bestehe aus Akrobaten, Narren, Clowns und Märchenerzählern und das Orchester, das zum Tanz aufspielt, trage bunte Gewänder mit Glöckchen und Schnabelschuhe. Ach ja, der Klatschmohn tanzt wie Aurora einbeinig auf dem Seil. Man hat mir als Kind wohl zu oft gesagt, in meinen Adern fließe blaues Blut. Du siehst, mit mir geht die Fantasie schnell durch.
Möglicherweise sitzt du jetzt auf einer südlichen Dachterrasse und schaust den Schwalben zu – am Horizont versinkt die Sonne im Meer. Fast höre ich die Trauben gurren. Es ist warm und eine sanfte Brise umschmeichelt dich verwegen und ein bisschen frech.

Erzählst du mir, was genau das „DU“ in dir anspricht im Gegensatz zum „Sie“?

Es grüßt dich eine lächelnde Bela von Rosenhaag