HERZ-NOTES(4)

„Komm!“ sprach die Stimme in mir laut.

So folgte ich dem Klang bis zum Grunde meiner Seele, dorthin, wo in den wilden Gärten unter dem Meer sein Echo nur noch flüstert. Farbig wuchert es, wohin der Blick auch fällt.
Zwischen exotische Gewächse pflanze ich Herzsteine, gieße sie mit meinen Tränen und vergrabe unter dem Seegras einen goldenen Schlüssel.
Zärtlich streifen Seepferdchen meine Fesseln. Das Meer nimmt mich mit und wiegt mich in den Traum.
Zwischen Ebbe und Flut wachsen mir Kiemen. Aus Beinen und Armen werden starke Flossen. Mit einem Schwarm kleiner Fische schwimme ich weit hinaus in die blaue Unendlichkeit.
Zu Algen kräuseln sich die Haare, treiben wie ein goldener Schleier auf dem Wasser.
Am Ende der Nacht singe ich mich  mit den Walen zurück in den Tag.
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Langsam, ganz langsam verebbt deine Stimme in den innerer Räume.

In den Gärten am Meer…4

Lange waren sie verschollen, die Gärten hinter dem Meer. Marie konnte sich nicht erinnern. Nur manchmal blitzte der fruchtbare Geruch von Algen in Verbindung mit dem süßen Duft einer rosaroten Rose durch ihre Erinnerungen. Manchmal versuchte sie dieses Gedankenfragment zu fassen, um eine der Leerstellen in der eigenen Geschichte neu zu verankern. Die Erinnerung flammte auf, entzündete sie kurz und verlosch, bevor ihr das gelang. Und doch, das ahnte Marie, musste es etwas Entscheidendes sein, etwas, dass tief in ihrem Inneren vergraben lag.

Eines Nachts träumte sie von einer Frau, deren Schatten vom Krankenbett aufstand und sich von jetzt auf gleich in einem Garten befand. Der Garten war von einer Mauer aus Stein umschlossen. Eine blaue Gartenpforte führte in die Dünen und zum Meer. Sein Rauschen konnte man im Garten hören Es dämmerte. Der lieblicher Duft von aufgeblühten Rosen mischte sich mit dem schweren, berauschendem Duft der Königskerze, ein Nachtschattengewächs. Der weißgekleidete Schatten schwebte über die Pfade des Garten. Es war Frühsommer. Am Teich quakten die Frösche.

Marie erwachte beschwingt. Sie ahnte, dass es ihr eigener Schatten gewesen sein musste, der sich von ihrem Körper gelöst hatte, um in die Gärten zu gehen, um Kraft für Gesundung und Regeneration zu schöpfen.
Marie hatte damals lange im Koma gelegen, bis sie wieder ins Leben erwachte.
Konnte es wirklich sein, dass ihr so etwas geschehen war, während sie angeschlossen – verkabelt und verstöpselt – an unzählige Geräte war und reglos auf einem Krankenhausbett gelegen hatte? Und wer, fragte sie sich weiter, hatte ihr diese Gärten geschenkt? Waren die schon immer in ihrem innersten Kern angelegt, damit sie in ihnen spazieren kann, wenn Körper und äußere Welt sie im Stich gelassen haben?
Der Gedanke gefiel Marie. Sie nahm sich vor, sich jeden Tag ein bisschen Zeit zu nehmen, um in diesen wundervollen Garten zu gehen.