Da war doch was.
Beim Versuch, diese Tulpe in der Vase auf meinem Küchentisch zu beschreiben, stoße ich an meine Grenzen. Natürlich könnte ich schreiben, sie ist von einem besonderem Orange mit gelben Rand. Aber sie ist viel mehr. Der Schimmer, ihr Duft, wie sie mit ihren Geschwistern dicht gedrängt und gerade in der schlichten Vase aus Glas steht, die Blüte noch nicht vollkommen geöffnet – ganz bei sich, in ihrem Streben nach oben der Vergänglichkeit preis gegeben.
Ihre Farbe lässt mich an Flamingos denken und den Süden, an weiße Pferde, schwarze Stiere und das Flirren von Licht auf dem Wasser. Das Mittelmeer vor dem inneren Auge sehen und eine schwarze Madonna, die so eindringlich auf mich gewirkt hat, dass ich kaum zu atmen wagte und ganz gefangen in diesem besonderen Augenblick war.
Es gibt diese Augenblicke…..
Versunken in den Anblick einer schönen Tulpe, öffnet sich ein Tür zu ganz anderen Erlebnissen. Filme laufen ab, Brücken bilden sich zwischen Ereignissen, die ursprünglich nicht zusammen gehörten. Da gestaltet sich ein neuer Raum, Licht und Wind dringt hinein und das Flüstern der Sterne. Die Schönheit und Anmut von Dingen ist äußerst machtvoll, wenn ich bereit bin ihnen Zeit zu schenken.
Fenster
MOMENTE
In einer fremden Küche stehen
aus dem Fenster schauen
und auf Bahngleise sehen
Kommen und Gehen
Verschluckte Geräusche
Hinterhöfe mit städtischem Wildwuchs
Dabei BLUES hören und BLUES fühlen
BLAU denken
hineinfallen, mitschwingen
aus der Zeit fallen
gleichgültig ob es regnet oder schneit
egal ob die Sonne scheint oder nicht
Fühlen und Spüren
das Herz lebt, es schlägt laut und wild
Musik, Raum, Ort und Zeit, DU, ICH
alles EINS
Herz-Notes(2)
Weißt du , ich trage seit Tagen eine Vision vor meinem inneren Auge spazieren. Ich sehe ein Fenster. Seine Flügel öffnen sich nach außen. Ich stoße sie ohne Kampf auf, um in das Wesen der Dinge vorzudringen, um sie besser zu verstehen. Mir wächst ein Wald entgegen.
Was nützen mir Wände, die Gucklöcher gleich Schießscharten tragen, an denen ich mich nicht empor hangeln, in die ich nicht hinein kriechen kann, um mich einzunisten? Entschlüsseln kann ich die Hieroglyphen nur, wenn ich mich einniste, wenn ich behutsam und mit Vorsicht – es soll ja nichts zerstört werden -zum innen Kern vordringe, für den diese Zeichen stehen, den sie schützen.
Fülle
Als die Nacht sich verabschiedet und den Morgen in den neuen Tag geschickt hatte, hörte Marie die Vögel zwitschern. Einen grüner Duft wehte der Wind durchs geöffnete Fenster zu ihr hinein. Es war genau dieser Moment, in dem Marie an Eva dachte und ihr im Geist eine Botschaft schickte:
„Weißt du Eva, wir nehmen die Menschen, die wir lieben in uns auf. Wir verleiben sie uns ein, bis sie in uns leben. Sie werden zum Teil von uns. Und wenn sie von uns gehen, bleiben sie doch bei uns, selbst über den Tod hinaus, so dass wir nicht verlassen sind. Das ist tröstlich.
Ebenso ist es mit der Welt, wir nehmen sie in uns auf. Sie ist in uns wie wir in ihr. All das macht unseren Reichtum und die Fülle aus, aus der wir schöpfen dürfen.“
Tage vergehen…
Jetzt bin ich schon eine Weile hier. Ich habe fast alle Räume des Hauses, das ich noch nicht „MEIN“ nennen mag, kennen gelernt, seine Größe ermessen, überlegt, wo ich mit dem Einrichten beginne. Bisher bewohne ich nur das Dachzimmer mit dem weiten Ausblick über Garten, Feld und Wald und die große Wohnküche.
In die Ecke mit den bunten Kissen habe ich mein Bett gebaut, daneben ein ausgemustertes Bücherregal vom Flohmarkt gestellt. Ich kann mich noch nicht entscheiden, wie ich es einmal anstreichen werde. Einige Bücher, Notizhefte, CD´s und Zeitschriften liegen darin.
Jetzt wo ich Zeit habe und nichts mich drängt, stehe ich oft am Fenster und schaue dem Tag dabei zu, wie er vergeht, wie das Licht sich verändert, die Wolken ziehen, wann die Vögel im Garten sich ums Vogelhaus scharren und eine rotgestreifte Katze auf Beutezug geht.
Vor drei Wochen war noch Winter, jetzt sind die Tage länger geworden, und Frühling liegt in der Luft. Gestern zogen Kraniche über das Haus.
Ich habe noch einen Rest Rosentapete. Damit werde ich die schmale Fensterwand tapezieren. Die Küche ist noch fast leer. Ein paar wichtige Utensilien, etwas Geschirr, bunt zusammen gewürfelt, ein quadratischer Holztisch mit zwei Stühlen, meine Lieblingstopfpflanzen und ein Kühlschrank mit abgerundeten Ecken habe ihren Platz gefunden.
Im Raum nebenan, der eine Art Salon werden wird, möchte ich mir heute ein erstes Bild aufhängen. Das Bild ist Blau, wie so vieles, das ich gern habe, denn Blau ist für mich ein Lebensgefühl. Ich liebe es in allen Nuancen. Eine ganze Galerie aus blauen Schattierungen wird dort entstehen.
Sparsam sind kleine Akzente in Weiß, Schwarz und in Gelb ins Bild gesetzt. Ich sehe Wasser und Himmel, die ineinander übergehen. Es zeigt einen Hafen an Fluss oder Meeresbucht. Kleine Boote schweben auf dem Wasser. Ihre Lichter spiegeln sich darin. Am linken Rand sehe ich ein wolkenartiges Gebilde in Dunkelblau-Schwarz. Es könnte eine Trauerweide auf einer winzigen Insel sein.
Ich liebe Flusslandschaften und das Meer, mag mich gern in den Wellen des Wassers für Augenblicke verlieren. Wind und Wellen nehmen meine Gedanken mit und singen mir Lieder.
Tapetenwechsel
.
Sie ist es satt.
Immer die gleichen Gesichter, die selben Sprüche, ein schiefes Lächeln, das Aneinandervorbeisehen. Was will Frau da noch erwarten?
Gewohnheiten haben durchaus ihren Sinn, aber nur solange sie nicht lähmen und alles zum Erstarren bringen. Dabei verstehe sie ja: ein Kunstwerk, gut beleuchtet im Treppenhaus, sieht man irgendwann nicht mehr. Es entschwindet aus dem Fokus, weil es so vertraut wird, dass man seine Einmaligkeit nicht mehr bemerkt.
Sie braucht Tapetenwechsel, dringend.
Das bisherige Heim ist zu klein, zu abgetragen und verwohnt, bietet keine Überraschung mehr. Immer die gleichen Bahnen, ausgetretene Wege und Pfade. Zuviele Menschen verwischen die eigenen Spuren. Die Kreativität hat kein Gesicht mehr. Sie kann machen was sie will. „Eigentlich“, denkt sie, „ist das ja auch eine Freiheit.“
Aber wenn niemand mehr von ihr Notitz nimmt, was nützt diese Freiheit dann?
Selbst das Umräumen und Möbelrücken hilft nicht mehr. Alle Variationen sind schon ausprobiert.
Sie braucht frische Luft, mehr Platz, neue Anregungen, einen anderen Klangteppich. Stimmen, die sie aus der Routine herauszuholen vermögen. Eine Muse wäre wunderbar, eine die den Zauberstab immer griffbereit hat, um neue Seiten in ihr anzustimmen und zum Klingen zu bringen.