Wurzeln 18

Vor einiger Zeit besuchte mich nachts ein Traum, der lange nachwirkte. Er spielte in dem Garten meiner Kindheit, der sich im Verlauf der Zeit veränderte und den ich verlassen musste. Am Ende schenkte mir eine vertraute Person eine kleine Schale. Die Vertraute hatte Muttererde hineingetan und mit einer Pinzette Minipflänzchen aus dem alten Garten gezupft hinein gepflanzt. Ich durfte sie mitnehmen in mein weiteres Leben. Es war klar, ich musste gehen.
Ich wusste nun, dass die Pflänzchen in der Schale die Samen sind, die ich überall am Rande meines Weges ausstreuen kann, so dass neue Gärten entstehen.

Im Nachdenken über den Traum wurde mir manches deutlich:
– ich werde immer ein Mädchen bleiben, egal wie alt ich werde
– meine Herzeninsel ist ein Garten, der von einer Hecke umschlossen ist
– meine Farben sind die Farben des Vorfrühlings
– mein Ziel ist der Weg
– meine innere Heimat der Garten, in dem ich Kind sein durfte
– Inspirationsquelle sind mir Farben, Licht. Duft und Klang
– das Herz meiner Insel ist Brunnen oder Quelle


Habt ihr Lust, mir folgende Fragen zu beantworten?

Wer bist du? (Mädchen, Kind, Frau, Alte, Junge, Mann…..)
Was ist deine Herzensinsel?
Welche Farben gehören zu dir?
Was ist dein Ziel?
Was ist dir innere Heimat?
Was ist dir Inspirationsquelle?
Was ist das Herz deiner Insel?

20.11.20

Farben sammeln draußen
die letzten Blätter am Fackelbaum, fahlgelb
rote Blätter im Zwergahorn
die wie eine Wolke zwischen Raum und Zeit hängen
als flögen sie im nächsten Moment davon
wenn der Wind sie streift
wie ein Schwarm kleiner Vögel auf Futtersuche
eine abgetragene Maske blau auf dem regennassen Asphalt
neben den bunten Blättern am Strassenrand
bevor der Dezember die Farben löscht


Ich hatte einen Traum

Es war einer jener Träume, die selten sind und die man nicht mehr vergisst. Diese besonderen Träumen erzählen mir etwas über mich, was ich bis dahin in seiner Komplexität noch nicht begriffen hatte, obwohl die einzelnen Puzzleteile schon lange vorhanden waren. In dieser Nacht war ich im Garten meiner Kindheit, genau an jenem Platz, an dem der Birnbaum mit den kleinen runden Birnen wuchs. Er war nicht besonders hoch, und ich pflückte die Grießbirnen schon als Kind gerne. Ende August wurden sie reif. Sie wurden nicht roh gegessen sondern eingekocht. Erst dabei entwickelte sich ihr unvergleichlicher Geschmack. Niemals mehr habe ich diese Birnen gesehen oder gegessen, nachdem Garten und Birnbaum aus meinem Leben verschwunden waren. Wüsste ich den Sortennamen, ich würde einen solchen in meinen Garten pflanzen. Sofort!
Zurück zum Traum, was hat er mir erzählt?
Mein innerer Ort ist ein Garten, in dem ein Birnbaum steht. Er ist von Hecke oder Mauer umgeben. In der Mitte ist ein tiefer Brunnen. Es ist ein Vorfrühlingsgarten, indem die Knospen beginnen sich zu regen und die Sonne erste zarte Farbtupfer in den Tag malt. Meine Farben sind: buttergelb, puderrosa, helllila, blassblau, zartgrün, silber, weiß und alle Grautöne. Es duftet nach dem letzten Schnee und dem ersten grünen Gras. Es ist eher das Ruhige und Verhaltene, was mich ausmacht. Mein Ziel ist der Weg.
Würde ich mein Lebensmärchen schreiben, alle genannten Facetten müssten darin enthalten sein.
Zurück zum Traum. Dort bin ich zurück gekehrt in meinem Kindheitsgarten, der schon längst verwildert und von (Un)Kräutern überwuchert ist. Trotzdem finde ich dort alle meine Farben und Düfte wieder. Ich weiß, dass ich den Garten an diesem Ort nicht behalten oder neu errichten kann. Aber meine Schwester ist bei mir. Sie nimmt eine Pinzette, pflückt vorsichtig Miniaturen von Kräuter und Blumen und pflanzt sie in eine kleine Schale. Sie drückt mir die Schale in die Hand und sagt: „Nimm sie mit. Und nun geh.“
Jetzt weiß ich, dass ich jene Samen in allen inneren und äußeren Gärten auspflanzen kann, die ich für mich – wo auch immer – noch finden oder anlegen werde. Und an jedem dieser Plätze werde ich neue Sämlinge mitnehmen können um die vorhandenen zu ergänzen und zu erweitern.

Habt ihr vielleicht ein ähnliches Bild im Kopf, dass euch überall hin begleitet und in dem ihr ausruhen könnt, wenn draußen alles zu viel und zu laut wird?

Oktoberende

Es ruht das Jahr in seinen letzten Farben aus.
Am Morgen zeichnen Nebelschleier weich
und mancher Baum zeigt sein Gerippe.
Der Wind im Sturme zornig
zerzaust das Haar, lässt lose Dinge poltern oder flattern.
Er heult und jault mit Drohgebärden durch den Kamin
kleine Kinder fürchten sich vor dem Gespenst.
Von Baum und Strauch klaubt er mit Macht
das Funkelrot, ein fahles Gelb und Knisterbraun.

Ich freue mich an allen Düften, Klängen, Melodien
mit denen uns der Herbst so überreich beschenkt
und finde Ruhe im Verschwinden aller Farben.
Des nachts träum ich vom Schnee, der all dem Schroffen
seine scharfen Ecken nimmt und weicher stimmt.

Zeitenwechsel

noch ist GRÜN dominant….doch BLAU rückt näher und mit ihm der Sommer… ein Fluss, das Meer ein Segelboot:

Wie BLAU in BLAU versinkt bis auf den Grund…wo Grund ist auch in mir… und mich durchdringt und lautlos zu mir spricht…wär ich gern der Ball und würde lastenschwer und voll zum Grunde sinken und ertrinken und aller Lasten bar nach oben steigen und in den Himmel fliehen.
Wenn BLAU in BLAU versinkt und sich einander anvertraut, verschwistert, dann bleibt nur Fülle ohne Rand und Grenze.

BLAUE WUNDER