Was schreibt man wenn man zufrieden ist?

Zu nächst: Guten Morgen.

Mir geht es gut.

Hm.

Wenn ich Zahnschmerzen habe, Liebeskummer oder ähnliches, da fliegen mir die Worte nur zu. Schmerzerfüllt…dunkel….geheimnisvoll.

Aber jetzt? Was soll ich bloß sagen.

Mir geht es gut.

Ja, ich fühle mich wohl.

Und jetzt?

Was sagt man zu wohlbefinden, zufriedensein ohne großen Höhen und Tiefen?

Blick leer, starre ich auf meinen Bildschirm.

Eigentlich braucht es keine Worte.

Das Bild mit der Tasse sagt doch alles.

Euch einen schönen Tag!IMG-20160222-WA0001

Erlebnis

Neulich auf dem Rückweg nachhause, saß ich in an der S-Bahn und wartete auf meinen Anschluss. Ein ganz junges Mädchen, vielleicht 14, kam zu mir und fragte mich, ob es etwas für mich tun könne, wie Tasche tragen, Einkaufen oder Ähnliches. Als ich verneinte fragte sie mich, ob sie denn für mich beten dürfe.
Obwohl ich zunächst irritiert war und mich fragte, von welcher Sekte dieses Mädchen wohl komme, antwortete ich, ein Gebet wäre immer gut und könne nie schaden. Das Mädchen fragte mich danach, ob ich Sorgen hätte und wie es mir ginge. „Es geht mir gut.“ sagte ich und das war in diesem Augenblick auch wirklich so, und sie fragte mich noch nach meinen Namen, damit das Gebet persönlicher werde. Und dann betete sie laut neben mir für mich, bedanke sich im Gebet dafür, dass es mir gut gehe und ich gerade kein Problem habe und dafür, dass ich schon so lange auf der Welt sein durfte. Dann erbat sie Schutz für mich und bat darum, dass mir immer wieder liebevolle Menschen begegnen.
Ich war sehr gerührte und bedankte mich bei dem Mädchen. Zwei andere kamen noch dazu. Ich, neugierig geworden, erfuhr, dass sie ev. Christen sind, die sich augenblicklich in einem Sommerferiencamp aufhielten.
Sie erzählten davon, dass es hier wenig Christen gebe, die meisten Menschen nicht offen seien und sehr misstrauisch auf ihr Angebot reagieren würden. Zum Abschied lobte ich ihren Mut, einfach so auf wildfremde Menschen zuzugehen und bat sie, diesen Mut nicht zu verlieren.

Klar, ich weiß nicht genau wo die Mädchen sich warum aufhalten und was sie im Camp machen, ob sie nicht vielleicht doch einer Sekte angehören, aber sie waren freundlich, lebhaft und ein bisschen schüchtern. Ich glaube, auch für sie war es schön, auf mich zu treffen, die etwas annehmen konnte, ohne sich gleich misstrauisch abzuwenden. Ich bin davon überzeugt, dass ein Gebet, von wem auch immer gesprochen, nie verkehrt ist.
Wenn wir Menschen weniger misstrauisch wären und einander offener und vorurteilsfreier begegnen könnten, wäre unsere Welt schon ein wesentlich wärmerer Ort.

FrauSein

Erika, sie befand sich (wieder) auf ihrem Balkon und schaute in die Sonne. Sie stand fest auf ihren Füßen. Hinter ihr eine voller Unrat stehende Wohnung, grau, Spinnenweben. Sie drehte dem Unrat den Rücken zu, in der Hand eine kleine Tasche mit einigen Schätzen. Ein goldener Kamm, ein weißer Stein, ein vergilbter Brief und ein Foto ihrer ersten Liebe, ihres damaligen Liebsten.

Erika zogt Luft, frische klare Luft durch die Nase ein, den grauen Mantel Fest zugeknöpft gegen die das frische Kühl des Morgens. Die Sonnenstrahlen tanzen und Erika bemerkt zum ersten mal die Farben in der Luft und fühlt das Lachen, dass sich leise durch ihre Kehle herauf perlte. Sie ist mit allem gerüstet was sie für sich braucht.

Liebevoll schaut sie auf das kleine Mädchen neben ihr. Die Zöpfe frisch geflochten, den roten Mantel sorgsam verschlossen schaut Lisa zu ihr auf mit dem vertrauenden Blick. Hand in Hand begrüßen sie den Morgen. Erika straffte ihre Schultern. Ja, sie wusste, dass sieb beide gut durchs neue Leben bringen wird. Ein goldenes Band der Liebe verband die beiden, noch waren die Wunden und Einsamkeit der Lisa sichtbar.

Erika fand Lisa in ihrem eigenen Keller. Sie hatte das Kind aus den Augen verloren, vergessen und sich im Staub des Lebens eingerichtet. Jahrelang ihres bisherigen Lebens. Immer wieder begegneten ihr seltsam bunte Gestalten, die wollten ihr Dinge schenken. Sie mitnehmen. Doch Erika mochte nicht mit gehen oder etwa annehmen. Sie war, wie besagt, gut eingerichtet.

Doch dann nagte etwas in ihrer Erinnerung. Ein unerklärliches goldenes Staubkorn. Und das Nagen wuchs zu einem riesigen Hunger. Hunger: Alles was Erika in die Hände bekam wurde verschlungen: Pommes, Schokolade, Männer, Menschen, Fernseher. Sie blähte zu eine gigantischen, riesigen Spinne auf, die im Netz hockte. Sie wartete. Das Warten selbst wuchs zu einem Selbstzweck. Und eines Tages sollte das glitzernde Sandkorn aus dem Netz die Treppe hinunter in den Keller stürzen.

Träge und ächzend begann Erika den Abstieg, immer wieder eine Pause machend. Wolle sie wirklich in Keller? Die weiße Priesterin, hauchzart und durchscheinend, schwebte vom Dachboden zu Erika und legte ihr die weiße Feder in die Hand. In der Dunkelheit leuchtete sie aus sich selbst heraus. Zunächst versuchte Erika die Feder zu verschlingen, doch diese entzog sich im spielerischem Tanz. Erika erhielt auf diese Weise Licht, Trost und eine treue Begleiterin. Höflich glucksend stellte sich die Feder vor. Lydia wäre ihr Name und sie sei nicht verdaubar. Ob die dicke Spinne noch nie etwas von Leichtigkeit gehört hätte.

Merkwürdigerweise wurde die Lydia ein fester Anker als der Sturm über Erika herein brach. Gewaltsam entriss er ihr das Herz und die fetten Spinnenbeine und Erika begann sich aus ihrem harten, undurchdringlichen Panzer zu schälen. Sie fror, bekam Panik und zunächst noch mehr Hunger. Aber dann!!!! Sie hörte das Wimmern von Lisa, dem vergessenen, mageren und wirklich verhungertem Kind. Erika sowie Lisa beäugten sich misstrauisch und Erika lief, wie sie schamvoll zugeben musste, fort.

Die Priesterin nahm sie in die Arme. Und machte Mut, Lydia weiterhin zu folgen, welche bei Lisa geblieben war. Das goldene Band fing an sich langsam zu entrollen. Und das Grau der Wohnung bot nun keine Heimat mehr. Die ängstliche, inzwischen zur Frau entpuppte Erika musste eine Entscheidung fällen. Und die bereitete Schmerzen und Qual. Der Hunger wuchs unerträglich, aber der Appetit lies sie wählerisch werden. So fasste Erika sich ein Herz und sprang in den Keller, entriss Lisa dem Loch und zog sie mit sich in ihr schlampiges Nest zurück.

Lydia tanzte in den kalten Nächten für beide: Der Frau und dem Kind. Und dieser Tanz wärmte und sättigte ein wenig. Erika lernte Lisa kennen. Und mögen. Das goldene Band wuchs. Die Vorhänge wurden zur Seite gezogen, frisches Obst bestellt und beide lugten Neugierig hinaus.

Zunächst Nebel. Dann fremde Geister. Das Nest blieb real. Doch Erika spürte die Enge, den Tod. Lydia tanzte den Federntanz, lachte, kitzelte die beiden. Und Lisa wurde ein schönes, properes Mädchen. Und Erika wurde eine lebendige Frau. Die Priesterin wachte über die beiden. Bis die Alte kam und endgültig forderte, Erika müsse heraus aus der Wohnung oder wieder Spinne werden.

Entweder oder. Spinne sein hieße dass Lisa wieder in den Keller müsse. 7 Tage zog Erika sich zurück. Und dann kam sie wieder, kämmte Lisa zog sie und sich an, suchte ihre Schätze und trat mit ihr auf den Balkon. Hand in Hand.

Vertrauen.

Das Band der Liebe.

Den Schutz der Priesterin.

Die Klarheit der Alten.

Den Tanz der Feder.

Mehr brauchte das Leben nicht.

Erika und Lisa gingen zurück in die Wohnung. Erika verneigte sich vor dem Schmutz, dem Grau. Dankte ihm für den langjährigen Schutz. Dann tanzte sie mit ihrem Kind aus der Wohnung hinaus in pulsierende, lebendige Unbekannte.

Die Vision

Die Vision

Musik regnet auf Lisa-Lena hernieder, umschmeichelt sie, fängt den Geist ein und lässt ihn nicht mehr los. Die Töne und Klänge sind wie Wellen und Wind; wie Sturm und Orkan oder Frühlingsbrise. Tief taucht sie in die Klangwelt hinab, sinkt bis zu ihrem Grund. Mit jedem Atemzug, den sie nimmt, nähert sie sich mehr ihrer Mitte. Klingende Luftbläschen atmet sie aus. Leicht geworden wie ein Feder lässt sie sich tragen vom klingenden Ozean aus feingewebten Stimmen.
Es wird immer heller um sie herum, bis sie mitten im Licht steht, nein schwebt.
So war es bisher immer, wenn Lisa-Lena sich mit ihrem Chor getroffen hat, um zu singen und zu tönen. Doch was sie heute erlebt, ist so überwältigend und neu, dass ihr fast der Atem stockt. Schon will sie scheuen, denn sie fürchtet im vollen Galopp an der unsichtbaren Wand aus Glas zu zerbersten. Sie, die Suchende, sieht sich nun inmitten der vielen Gesichter, die sich um sie herum formiert haben. Wo ist die Mauer geblieben? Gab es sie je? Alle Gesichter sind gelöst und die Augen auf sie gerichtet. Seltsamerweise verspürt sie heute keinen Impuls, sich so schnell wie möglich hinter den anderen zu verstecken. Wärme geht von den Menschen aus, in deren Kreis sie steht. Da ist nichts was sie fürchten muss.
Plötzlich hört sie sich selbst. Aus ihren tiefsten Tiefen bahnt sich ein Ton seinen Weg. Wie eine weise Schlange schlängelt er sich durch die Eingeweide, passiert Kehle und Gaumen, verlässt als rundes Mond-O ihre Lippen und bringt ihren ganzen Körper zum Schwingen. Der Ton brandet die Haut, dringt durch jede Pore hinaus. Schallwellen teilen sich mit. Der Ton führt jetzt an, gibt die Richtung vor, wird zum Wegmailer, an dem sich die anderen Stimmen ausrichten. Er vermählt sich mit den anderen Tönen, wandert eine Weile mit ihnen auf dem gleichen Weg, biegt dann ab, taucht unter, schwingt sich hinauf. Immer höher und weiter. Der Ton bekommt Flügel, erklimmt einen hohen Felsen, kehrt zurück, lockt, säuselt, wispert, raunt wie eine Quelle. Er schreit, tobt, weint und flüstert.
Lisa-Lenas Ton singt ein Solo, springt in die anderen Stimmen hinein, streitet mit ihnen, versöhnt sich wieder, dirigiert, gibt den Takt vor, nach dem die Körper tanzen. Das Solo löst sich im Klangmeer auf, auf dessen Wellen die Möwen schwimmen und in dem sich der Himmel spiegelt.
Der gemeinsam erschaffene Klangozean berührt die Herzen und streichelt die Seelen. Tränen fließen.
Alle menschlichen Chor-Stimmen werden zum einzigartigen Musikinstrument. Etwas Neues entsteht:
Auf einer silbernen Wasserfläche verdunsten die Töne zu luftiger Essenz, mischen sich mit Licht, Wolken und Sphärenklang und segnen von weit oben die Erde.
Es ist vorbei!
Lisa-Lena stoppt in der Bewegung, wirkt mit den geschlossenen Augen für einen Augenblick wie erstarrt und eingefroren. Sie nutzt die entstandene Stille, um in sich hinein zu spüren, dorthin wo die Klänge noch nach-und langsam ausschwingen. Kleine Glücksfunken stieben durch Adern und Venen. Dankbarkeit breitet sich aus. Der Applaus trifft sie unvermittelt. Sie zuckt zusammen, öffnet die Augen und bewegt sich. Der Chor umringt sie. Hände verbinden sich. Arme wiegen mütterlich Körper. Es wird gelacht, geweint, geschwiegen. Ganz sanft lösen sich die Menschen voneinander, kehren zu sich selbst zurück in ihre eigenen Grenzen.
Erst jetzt nimmt Lisa-Lena wahr, wie verschwitzt sie ist. Sie lächelt, weil ihr nun bewusst geworden ist, dass Mauern aus Luft sein können und manchmal nur im Kopf existieren.