Vor der Zeit ganz klein

Während die Bäume erstarken
und an Volumen gewinnen
stehe ich winzig vor der Zeit
die mir den Vogel zeigt und verbietet
stehen zu bleiben.
Trotzen möchte ich ihrer Macht
und einfach verwunschen erstarren
wie Dornröschen von einer Spindel gestochen
zwischen all dem Knospen und Blühen
dem Duften und Fließen
für immer mich verzaubern lassen
vom grünen Rausch
und lauschen für ewig

KÖNIGIN SEIN

Dornröschen ist erwacht und staunt
ein Königreich aus Worten
liegt zu ihren Füßen.
Es treiben Silberperlen im großen Fluß der Zeit.
Den Spindelstich, der töten sollte,
das Blut an ihren Händen
vergaß sie fast
auf traumgesäumten Rosenwegen.
Ein Schwert an ihrer rechten Seite?
– Wer hat es nur dort hin gelegt –
Sie fasst, begreift, versteht
und spaltet ohne Zögern die Heckenriesen
die sie noch trennen vom Königreich der Worte
Keinen Herrscher braucht sie mehr im Rücken
der lenkt und ordert, der regiert
Dornröschen selbst – beherzt –
hält alle Macht in Händen
und steuert sprachgewandt
die Wege durch ihr Königreich
Hundsrose

…und trägt in ihrem weißen Haar voll Stolz die Hagebuttenkrone. …

Osterfragment

Komm, setz dich zu mir. Ich möchte dich teilhaben lassen an einem Gedanken, der mich gerade besonders beschäftigt. Ja, er hat sich einfach in meinen Kopf geschlichen. Da hängt er nun und will sich nicht verdrängen lassen.
Märchen sind weise. Auch das von Dornröschen. Ihr erinnert euch gewiss an die 13. Fee, die nicht eingeladen wurde, weil es im Schloss nur 12 goldene Tellerchen gab und daran, dass sie trotzdem kam und einen schrecklichen Fluch auf das Taufkind niederprasseln ließ. Zum Glück war da noch eine Fee, die den Fluch zwar nicht aufheben, aber seine Konsequenzen mildern konnte. Statt an ihrem 15. Geburtstag an dem Stich einer Spindel zu sterben, schlief Dornröschen einhundert Jahre, und wurde dann von einem Prinzen erlöst, der sie heiratete und zu seiner Königin machte. Gut gegangen! Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Stell dir vor, da ist eine Mutter, die über eins ihrer Kinder den Stab bricht und dieses für alle weiteren Generationen verflucht. Nur, weil sie selbst niemals vom goldenen Tellerlein essen durfte und nicht akzeptieren kann, dass da jemand seinen Platz behauptet, vom großen Kuchen ein Stück abhaben möchte und dieses auch noch vom goldenen Teller essen möchte.
Natürlich wird nicht wirklich ein Fluch ausgesprochen, aber Gedanken der Ablehnung gepflegt und des Mißtrauens. Hinter dem Rücken des Kindes wird schlecht geredet, werden Verbündete gesucht.
Unentwegt sucht die Mutter nach Bestätigung ihrer bösen Ahnungen, ist schließlich selbst ganz besessen davon. Böse und dunkle Prophezeiungen werden gedacht und ausgesprochen. Was auch immer dieses Kind und seine Kindeskinder auch tun, immer interpretiert die Mutter es negativ und abwertend. Ein dunkler Teil in ihr, die böse Hexe, gewinnt mehr und mehr an Macht. Die alte Königin  bleibt stur und lässt sich von keiner weisen Stimme mehr beeinflussen.
Die Macht der Gedanken – ausgesprochen oder nicht – sie ist enorm stark. Wie einem solchen Fluch entkommen? Wie die Fluchende zur Besinnung bringen, die weise Fee in ihr heraus locken, um den Fluch in Segen zu wandeln?
Beides – Fluch und Segen – liegen ganz nah beieinander und entscheiden mitunter Lebensgeschichten.