Claire schreckt hoch. Schweißperlen stehen auf Stirn und der Nacken wird nass. Das Herz klopft so laut, dass sie unwillkürlich an ihre Brust fasst, als wolle sie verhindern, dass es seine Höhle verläßt. Sie zittert und ihr ist kalt. Was war nur gewesen? Sie muss sich beruhigen.
„Komm, Claire, beruhige dich“ , flüstert sie zu sich selbst, „du bist in Maries Wohnung, die Türen sind abgeschlossen. Du bist sicher!“
Regen trommelt gegen das Fenster. Claire zieht die Bettdecke bis zum Kinn hoch, traut sich aber nicht, die Augen zu schließen. Sie konzentriert sich auf das gleichmäßige Geräusch des Regens und auf den eigenen Atem, der nach und nach ruhiger wird.
„Es war nur ein Traum, nicht mehr.“ aber was wollte dieser Traum ihr sagen? Welche Botschaft enthielt er?
Claire bedient den Lichtschalter. Es wird hell. Sie setzt sich auf, zieht die Knie an den Bauch, umschlingt sie mit den Armen und beginnt zu weinen. Sie fühlt sich so allein, verlassen von allen, einsam. Warum nur, war Marie nicht da? Lear kam ihr in den Sinn. Lange hat sie nicht an den flüchtigen Augenblick dieser Begegnung gedacht.
Claire
Spurensuche, Claire sucht Marie…
WER IST CLARISSE?
Es ist Nacht! Ein sichelförmiges Boot legt an und eine hohe schlanke Gestalt steigt aus, zieht das Boot an Land, und vertäut es sicher an den Hafenpollern. Auf kräftigen Füßen läuft die Gestalt durch den nassen Sand und hinterlässt ausgeprägte Fußspuren.
In der Dunkelheit ist die Person nicht zu erkennen. Die Gesichtszüge liegen im Schatten einer weiten Kapuze. Offensichtlich hat der Bootsbesitzer es sehr eilig.
Es ist Knut, der Seebär, unterwegs in Sachen Lust. Zu lange war er schon unterwegs und immer der Geschmack nach Saltz auf den Lippen. Die Schifffahrt lohnt sich nicht mehr.
Er ist mit schweren, schnellen Schritten unterwegs. Sein Ziel ist ein kleines Haus in der Altstadt. Schon bald klopft er an eine schwarze Holztür. Das schiefe Haus wirkt verkommen und abgetakelt. Aber Clarisse ist billig und gut. Knut ist ungeduldig. Er kann nicht still stehen, tritt von einem auf das andere Bein. Endlich wird geöffnet.
Die Wände im kleinen Haus sind rot gestrichen. Billige, verrauchte Möbel machen die Einrichtung aus. Doch Clarisse?
Sie strahlt! Ihre ewige Schönheit blendet und hat schon manch ein kleineres und größeres Drama in der Stadt ausgelöst. Sie ist nicht wie andere Huren, nein, sie bietet sich an, weist Männer aber auch ab, wenn sie ihrer stolzen Nase nicht gefallen.“Clarisse, ein Flair, ein Esprit, ein Tempel der Sehnsüchte.“(sagte mal eine Feinschmeckerin über sie). Es wird gemunkelt, dass Clarisse auch Frauen nicht abgeneigt ist. Knut jedoch findet Gnade. Er darf sich seine Sehnsüchte erfüllen. Während sein Boot gut vertaut im Hafen dümpelt, legt er das Geld in das Buch neben dem Nachttisch. Es ist eine Bibel. „Clarisse, ein Flair, ein Esprit, ein Tempel der Sehnsüchte.“(Zitat jener Feinschmeckerin)Entfesselt und nackt schaut der Kapitän auf das Buch:
„Wir haben gesündigt, Clarisse.“ flüstert er entsetzt.
„Wir haben gesündigt, Knut?“ Clarisse bricht in ein wieherndes Lachen aus. „Du bist ein verdammter Kindskopf, Knut, kriegst einen Anfall, nur weil die Bibel hier liegt.“
Der Mann schaut sie verdattert an: „Aber schau, wir haben…..!“
„und überhaupt,“ fragt sich die Frau, zieht dabei die Stirn in Falten, “ wer zum Teufel hat das Buch hier hingelegt?“
Der Mann schaut sie verdattert an: „Aber schau, wir haben…..!“ „
Clarisse ist nicht dumm. Hier helfen keine Worte, aber sie weiß die Männer bei der Stange zu halten. Schließlich liegt es in ihrem eigenen Interesse, deren Bedürfnisse zu befriedigen. Schließlich lebt sie von ihnen.
Schlangengleich schmiegt sich ihr seidenglatter Körper an Knut heran. Ja, sie weiß die geheimen Verstecke züngelnd zu erreichen, die Männer alles vergessen lassen, kennt ihre unausgesprochenen Sehnsüchte, weiß, wie sie ihre Beute hypnotisieren muss, um jenen Punkt zu erreichen, an dem „Mann“ das Denken vergisst, nur noch Körper ist und seiner Begierde folgt.
Clarisse war eine strategische Meisterin. Was sie wollte geschah, und schon nach kurzer Zeit vergaß Knut die Gedanken an Sünde und Schuld, und opferte seine Lust auf dem Altar der Begierde. Anschließend fiel er gesättigt fast augenblicklich in Schlaf. Unschuldig wie ein Kind sah er aus. Zufrieden schaute Clarisse auf diesen gefallenen Bären, und freute sich ihrer Macht. Ja, schwer und golden lag ein Schlüssel in ihrer Hand. Ein triumphierendes Lachen perlte in ihrer Kehle.
Im Gegensatz zu Knut fand Clarisse lange keinen Schlaf. Vieles ging ihr durch den Kopf. Und sie hatte Zeit zum Nachdenken, denn Knut bezahlte immer für eine ganze Nacht an ihrer Seite. Kein weiterer Freier stand vor ihrer Türe. Wie wohltuend das war!
Clarisse war nicht herzlos. Gut geerdet folgte sie mit der notwendigen Distanz ihrer beruflichen Profession. Sie musste leben und für das Alter vorsorgen. Dennoch besaß jeder der Männer ihrer Stammkundschaft einen kleinen Platz in ihrem Herzen. Diesen Luxus leistete sie sich.
In dieser Nacht aber dachte sie mit Sorgen an MARIE, ihre beste Freundin. Die war eines Vormittags völlig aufgelöst bei ihr erschienen, hatte sich ausgeheult und war dann mit einem Boot auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Clarisse wusste, dass Marie einer Obsession folgte und ihren Gefährten suchte.
Einmal mehr dachte Clarisse über das Wunder der Liebe nach, und wie diese die Menschen verändert.
Marie, ihre zarte und liebevolle Freundin, die bis heute nicht richtig erwachsen geworden war und die jetzt weit weg war, um nur noch der inneren Stimme zu gehorchte. Wo war Marie? Hatte sie Spuren gefunden, denen sie hoffnungsvoll folgen konnte?
Immerhin hatte Clarisse das Gefühl, dass Marie unter dem Einfluss beschützender Mächte stand.
In der Nacht träumte Clarisse von einer Insel, die von einer weisen Schleiereule bewacht wurde.
Im Schatten eines ausladenden Baumes sah sie die Schemen einer rotgekleideten Person.
(Ausschnitt aus Logbuch Marie 2005)
Spurensuche, Claire sucht Marie 7
Liebe Marie,
ich habe das grüne Notizbuch gefunden und tatsächlich, da findet sich Clarisse – smile – sie wohnt ja gar nicht weit von hier. Ein paar Schritte um den Häuserblock und schon stehe ich vor ihrer Tür. Vielleicht hat sie etwas von dir gehört. Warum hast du sie mir nie vorgestellt? Nur einmal sah ich sie von weitem an deiner Seite. Es war in dieser schrecklichen Zeit, als wir den Streit hatten und uns lange nicht ansehen konnten. Damals schmerzte es sehr, dich so ausgelassen mit einer anderen Frau zu sehnen, wo wir doch Schwestern sind und einander wirklich kennen. Und ich war so traurig und allein. es war hart, so als hättest du mich aus deinem Herzen heraus geschmissen. Heute weiß ich, dass es gut so war. Ich hatte mich ja viel zu fest an dich gebunden. Ich weiß, dass Liebe auch ersticken kann.
Interessante Namen findet man im grünen Buch: Leander, in goldenen Buchstaben, verschnörkelt gemalt. Ach ja, in deiner Post liegt ein Brief von ihm.
Ach Marie, wenn ich dich nicht so gerne hätte, ich könnte fast wütend werden über all das, was du mir nicht erzählt hast. Und ich dachte, ich kenne dich auswendig, und dann machst du solche Sachen, gehst einfach, lässt alles liegen und folgst einer spinnerten Idee, und niemand weiß, wo du nun bist.
Hast du einen Augenblick lang an all die Menschen gedacht, die sich inzwischen um dich sorgen, weil kein Lebenszeichen von dir sie erreicht.
Und doch, ich spüre, du lebst.
deine Klette, Claire
Spurensuche, Claire sucht Marie 6
Liebe Marie,
etwas erstaunliches ist geschehen: heute Morgen war ich so unruhig und ganz hoffnungslos – wie soll ich auch die Stecknadel im Heuhaufen finden – und jetzt, nachdem ich ein wenig geschlafen habe, gehts mir viel besser. Ich träumte vom Meer. Es war warm und smaragdgrün. Ich schwamm weit hinaus und sah eine rote Insel – schemenhaft zeichnete sich eine dunkle Bergkette ab. Plötzlich war eine Nixe neben mir. Sie flüsterte mir ins Ohr: „Finde Clarisse.“
Ihre Stimme war perlend und hell, wie eine unterirdische Quelle und die grünen Haare ringelten sich wie frisches Seetang um ihren schmalen Kopf. Ich wollte weiter schwimmen, aber sie griff an meine Schulter und gebot mir, zurück zu kehren aus meinem Traum.
Ich bin aufgestanden und in die Küche gegangen. Dort in der Schublade oben rechts, das weiß ich noch, liegt dein grünes Adressenbuch.
liebe Grüße, Claire
Spurensuche, Claire sucht Marie (5)
Liebe Marie,
ich fühle mich so allein, von aller Welt verlassen. du, meine liebste Schwester, wann werde ich dich wieder sehen? Ich habe Angst. Um mich, um dich, um uns um das alles, was sich in eine Richtung verändert, die uns unwiderbringlich auseinander treiben könnte. Zusammengekrümmt liege ich in deiner Hängematte, und endlich kann ich weinen. Die Tränen sind heiß und laufen über meine Wangen, sammeln sich in den Haaren und nässen das Kissen. Alles feucht und in mir weicht alles auf. Ich habe Angst, denn niemand versteht mich, so wie du es getan hast.
Ja, es gab diese kurze Begegnung mit Leander, aber das war nur ein dichter Augenblick, in der sich zwei Menschen trafen, die von gleicher Art zu sein schienen, eine Seelenverwandschaft vielleicht. Die Uhren gingen ander sin diesem Augenblick. Er und ich trafen uns an einem Kreuzpunkt und gingen in unterschiedliche Richtungen weiter …
Ich weiß nicht wo du bist, Marie – und Leander – wo bist du – seit ihr- jetzt unterwegs? Kommt ihr zurück? Lebt ihr überhaupt noch? Von aller Welt verlassen, hast auch du mich verlassen, Marie oder habe ich dich verlassen?
Es tut so weh. Im Radio Blues. Es passt zu meiner Stimmung. Gerade läuten die Glocken den Mittag ein. Ich werde ein wenig schlafen. Vielleicht geht es dann besser. Bitte Marie, pass auf dich auf.
Claire
Spurensuche, Claire sucht Marie (4)
Liebe Marie,
ich bringe es nicht fertig, diesen Brief zu lesen. Die Buchstaben tanzen vor meinen Augen. Er ist an dich gerichtet und wahrscheinlich sehr intim. Ich muss nach anderen Lösungen suchen. Der Morgen verrinnt. heute ist mein freier Tag. Was werde ich finden in deiner Wohnung? ach, da fällt mir ein, du hattest doch so eine sonderbare Freundin. hieß sie nicht Clarisse? Sie müßte in dieser Stadt leben. Vielleicht finde ich ihre Adresse. Die dünnen eng beschriebenen Bögen falte ich zusammen und lege sie ohne das Bild zurück in den Umschlag. das Foto nehme ich mit.
Draußen ist es warm, ein leichter wind bauscht die hellen Vorhänge. ich denke an dich, claire
Wo du wohl bist?
Spurensuche, Claire sucht Marie (3)
Tag 3
Liebe Marie,
ich habe gut geschlafen, durch das Fenster sah ich den Mond. Es war, als liege er voll und rund – orangerot – in einem unsichtbaren Liegestuhl zwischen den Wolken. Zwinkerte er mir zu?
Du hast ihn immer so gerne gehabt, den Mond. Wie oft haben wir abends zusammen nach ihm geschaut, ihn gesucht, uns Dialoge zwischen Mond und Sternen ausgedacht? Wenn wir zusammen waren, gehörte uns die Welt. Erwählte Schwestern waren wir einander. Wo bist du? Als ich IHN das erste mal sah und erlebte, wie eure Blicke sich ineinander verhakten und keiner vom anderen lassen konnte, da wurde mir im Bruchtal einer Sekunde klar, dass ein neues Zeitalter begann. Es schmerzte und heftige Eifersucht nagte mit an mir – ich war zornig – hast du es gespürt? Ich glaube nicht, und das ist auch gut so, denn du hattest kaum noch Zeit für mich. Nichts konnte mehr sein wie bisher.
Eines tages war er verschwunden. Eine Weile warst du wie irre, hast nichts mehr verstanden. Ich hatte Angst um dich -wie konntest du dich nur so verlieren?
Den zartblauen Brief halte ich in den Händen. Soll ich ihn lesen? Er ist von ihm, den du suchst?
Ich lasse mir Zeit, muss mich erst fassen.
unruhig, Claire
Spurensuche, Claire sucht Marie
Tag 1
Liebe Marie,
ich werde mich in deine Wohnung begeben. Dort mitten im Wintergarten findet sich die Hängematte. Oft haben wir zusammen darin gelegen – Seite an Seite. Wir haben uns aufregende und fantastische Geschichten erzählt von warmen fernen Ländern, von Flaschengeistern, Wassernixen und Korallenriffen. Unsere Haare vermischten sich, während wir flüsternd kicherten. Manchmal döste ich ein, und du wecktest mich mit Kaffee und diesem besonderen Gebäck. Weißt du noch, viel Schokolade war darin und ein Hauch von Orange.
Wir hatten Zeit. Uns gehörte noch die ganze Welt, und wir waren unzertrennlich. Zwischen uns gab es kein Geheimnis. Mit leuchtenden Kerzen und leiser Musik läuteten wir den Abend ein, feierten den Tag. Manchmal blieb ich bis morgens – schlief in der Hängematte. Inselträume zogen wie Karawanen durch meine Nacht. Und immer – bevor ich einschlief – streicheltest du mich sanft, so wie nur eine Freundin es kann – Ersatz für eine Mutter, die ich nie gekannt hatte – und du hast vorgelesen. Deine Stimme klingt immer noch in meinen Ohren. Wusstest du damals schon, dass etwas besonderes auf dich wartet?
Ich will dich finden, Claire
Wandlung
Welche Gespenster, Geister und Luftschlösser; welche Abgründe, Schatten und Unholde durch MARIE´S scheinbar traumlosen Schlaf spazierten und sich angeschickt hatten ein Bühnenstück zu inszenieren, ich weiß es nicht, aber ihre Lieder flatterten, und einmal – ich hielt gerade die trockene zarte Hand – einmal huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
Es war so berührend, dass ich beschloss, nun jeden Tag eine Weile an MARIE´S Bett zu sitzen und ihr eine Geschichte zu erzählen. Vielleicht die Geschichte von FRAU MAI, die bisher weder einenPlatz besaß, noch einer konkreten Motivation gefolgt war. Wer konnte schon sagen, was geeignet war, den Geist eines Menschen, der im Koma lag, zu veranlassen, sich wieder mit seinem Körper zu verbinden?
Mir, Claire, wurde in diesem Augenblick bewusst, dass dieses Geschichtenerzählen, wenn nicht für MARIE, so doch für mich selbst etwas Heilendes besaß:
ich kann etwas tun, die Zeit nutzen und versuchen mit meinen Mitteln MARIE zu erreichen. Es wird meiner Ohnmacht die Hilflosigkeit nehmen und das brüchig gewordene Band zwischen zwei Freundinnen, die keine gemeinsame Sprache mehr besitzen, erneuern.
Die Höhle, damals
Sie war doch in einer Höhle damals. Daran erinnert sich Marie noch.
Viele Stufen steigt sie hinab in die dichter werdende Dunkelheit. Sie folgt dem Rhythmus der Trommeln, der dem Pulsschlag der Erde gleicht. Bedrängend schraubt er sich in ihre Ohren, legt sich auf die Haut, bis sie vibriert. Irgendwann kann sie nicht mehr unterscheiden zwischen ihrem eigenen und dem Puls der Erde. Innen und Außen sind beinahe gleich. Wo hört sie auf, wo fängt sie an? Sie weiß, dass sie eine Aufgabe zu erfüllen hat. Nichts anderes mehr hat Platz in ihrem Kopf.
„Was war das noch?“ fragt sich Marie, während sie sich weiter zu erinnern versucht.
Die Feuergnome warten. Weiter steigt sie hinab in das Innere der Erde. Gewölbe aus Stein schwitzen einen erdigen und mineralischen Geruch aus.
„Komisch“ denkt Marie, „ich erinnere mich, dass ich an Kohle und Kartoffeln dachte und Hunger bekam.“
Damals hielt sie nur ein Gedanke aufrecht:
„Ich gebe nicht auf.“
In der Hand hält sie den Smaragd, das Lichtgeschenk des grünen Delphins, der ihr Freund ist.
So allein ist die junge Frau, die zarte Feingliedrige in den roten Gewändern der heiligen Tänzerinnen.
Als Außenstehende frage ich mich:
Wo nahm Marie diesen Mut her?
Warum hat sie ausgerechnet diesen Weg gewählt?
Wohin führt er sie?
Wohin er führt, der Weg? Marie würde es so beschreiben:
„Ich ging zu den Klippen der Zeit und folgte dem Rand des raumlosen Kraters. Mein Ziel war das Feuerportal mit dem janusköpfigen Portal. Ich musste da durch. Ein bezwingender Traum hat es mir geboten.“
Aber dann hat die Zeit ihr Maul aufgerissen, wie ein gefährliches Raubtier. Es zeigte spitze Reißzähne, doppelreihig und kam daher wie ein Drache – scheppernd, rasselnd, ratternd. Der Lärm zingelt sie ein. Gefangen!
„Nein,“ ruft Marie, “ ich habe mich an einem großen Stein festgehalten, mich dahinter versteckt, und dann war es plötzlich vorbei. Ich bin einem sandigen Weg gefolgt und sah Tageslicht. Es blendete mich.“
Und dann war da nichts mehr, Blackout!
Marie weiß bis heute nicht, ob sie ihre Aufgabe erfüllt hat. Aber sie weiß, warum sie die Reise getan hat.
Um ihn zu finden, den Geflügelten, den Gefiederten, ihren Gefährten. Eine lange, gefährliche Reise würde sie unternehmen müssen, hat jemand ihr prophezeit, um ihn zu finden am anderen Ende der Welt.
Und sie ist aufgebrochen ohne nachzudenken, allein in einem Boot über den großen Ozean geschwommen, um auf einer Insel zu stranden. Selbst ihrer besten Freundin Claire hat sie nichts verraten.
„Niemand,“ so dachte sie damals, „solle sie aufhalten.“ Und Claire, das wusste sie, würde alles tun, um sie an ihrem Aufbruch zu hindern. Marie verspürte nicht den Hauch eines Zweifels und vertraute ihrer inneren Stimme.
Während Marie sich erinnert, schlagen die Gefühle über ihr zusammen. Es ist wieder Flut – Sehnsuchtsflut! Schon so lange, immer wieder.
„Wird sich das jemals ändern.“ fragt sie sich, „Ebbe, Flut, die Gezeiten!“
„Vielleicht!“ spricht von fern eine tiefe Stimme.
Ein nagendes Gefühl bleibt zurück, wie Hunger.