Mitbringsel 5

Ein Rest Messinglicht schiebt sich ins Grau
sichelförmige Blattspuren leuchten auf dem Asphalt, ein Weg, aber wo hin?
Diese kleinen Blätter, die mich an scharfe Messer erinnern, und wie festgeklebt scheinen.
Der Hund, grau mit dem hängenden Ohr, der meinen Kinderwagen bewachte auf dem Hof meiner Großmutter zwischen Hühnern und Enten, der, den aussortiert niemand haben wollte und dessen Namen keinem Überlebenden mehr einfallen will, an den erinnere ich mich nicht, es gibt kein Foto, nur in den Worten darüber findet sich Nachhall…da war doch was…sind nur noch die Worte übrig geblieben? Nein, auch ein warmes Gefühl von Schutz. Was macht schon ein hängendes Ohr?
Im Dezember damals gab es dort viel Schnee und die Federn von geschlachteten Gänsen. Es ist lange her…und jetzt schau ich dem Aufblitzen des letzten Lichts im übrig gebliebenen Apfelbaumlaub nach.

Vom Leisen

Das Leise hatte sich in den Wald unter die Bäume zurück gezogen.Es war geflüchtet vor allem Lauten, dass seine schrillen  Gedanken über den Laufsteg des Lebens führte. Einstweilen war es besser so. Was sollte es tun?
Abwarten!
Es wusste schon, dass die Zeit kommen würde, in der es seinen Platz auf dem Laufsteg des Lebens wieder einnehmen würde.
Der Sommer verabschiedete sich mit roten Äpfeln, die er dem Herbst in die bunten Hände legte, damit sie dort nachreifen konnten.
Jemand erntete die Äpfel schließlich.
Der Herbst wurde müde, gähnte und rief den Winter herbei.
Sein buntes Gefieder verschenkte er an den Wind. Die nackten Zweige spießten sich in den Himmel: Biegsame Gestalten voll Schönheit und Grazie,
Bizarr und verbogen zerteilten die Bäume mit langen Schatten das Wintergrau.
Es kam ein neuer Tag und mit ihm die ersten Schneeflocken.
Langsam und unaufhörlich deckten sie Erde, Bäume, Häuser zu.
Das Weiß des Schnees schluckte alle lauten Geräusche, die sich gestern noch brüllend in den Haaren gelegen hatten.
Die winterdichten geordneten Gärten lagen verlassen, und die gebrochene Erde der Felder atmete Ruhe ein und aus.
Nur noch gedämpft drangen Krähenkrächzer zum Haus.
Drinnen war es warm. Die Menschen waren mit ihren Händen beschäftigt, die eifrig dieses und jenes damit vollbrachten. Das gefiel dem Leise gut. Es kam aus seinem Versteck hervor und setzte sich zwischen die Menschen.

Dennoch…

Als ein kalter Wind die alten Blätter über den Asphalt fegt, versteckt sich der Frühling in einer Mispel- die in einem alten, knorrigen Baum baumelt – und schaut sehnsüchtig hinauf zum winzigen Blau im großen Grau.
Über den Gartenzaun lugt ein blühender Mandelbaum, und hinter der Hecke hat sich der Weißdorn  in eine weiße Wolke verwandelt. Das Klopfen des Spechts lässt aufhorchen und die Trauerweide wäscht unbetrübt immerzu ihre langen, gelben Flechten im Teich. Die neugeborenen Zicklein  springen unbekümmert  über Stock und Stein.

HERBST

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.

Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

Rainer Maria Rilke
Aus: Das Buch der Bilder