Selbstbildnis 5

Die Stimme von einer Band, deren Namen ich nicht kenne, aber mein Mann, der ist aber gerade nicht da. Also kann ich ihn nicht fragen. (Ich hole das nach, versprochen!)
Er, mein Göttergatte, hörte die Musik heute Nachmittag, als ich von der Arbeit nach Hause kam und eine kreative Pause am Computer einlegte. Merkwürdige Musik für einen grauen, verregneten Nachmittag mitten im Sommer. Soweit ich mich erinnere, kommt die Stimme mitsamt der Band aus Island.Ich sah schon mal den dazugehörigen Film. Besonderheit: eine Gitarre, die mit einem Geigenbogen gespielt wird.
Spontan hatte ich folgende Assoziationen, die ich auch sogleich notierte, ja, es war mir ein echtes Bedürfnis, den Versuch zu unternehmen, mit Worten eine Stimme zu beschreiben:
Wie kalt es sein muss im Schneeköniginnenpalast. Gänsehaut! Die Stimme ist dünn und glassplitterklar. Von einem körperlosen Wesen könnte sie stammen. Stimme und Körper bringe ich nicht zusammen. Frost, der sich langsam auf allem Lebendigen ausbreitet, sich einbrennt, Lebensenergie saugt und konsequenterweise alles Lebendige zu verschlingen weiß. Die Stimme ist gespenstig, nicht von dieser Welt. Immer spitzer wird ihr Klang – Eiskristalle, Glassplitter, Elfenglöckchen mit einem Nachgang von sibirischen Schlittenhundengeläute – bis er nach und nach, es dauert eine Ewigkeit, erstirbt – und vor meinem inneren Auge ein Friedhof im Schnee mit verfallenen Holzkreuzen auftaucht. Die Totenglocken sind schon vor langer Zeit verklungen. Hier herrscht Totenstille und eine schmerzhafte Traurigkeit.
Ich frage mich, warum ich so fasziniert bin von dieser Stimme, diesen Klängen und der körperlosen Traurigkeit, die ich eher spüre als höre, frage mich, was berührt wird in mir, welche Seite da zum Klingen gezupft wird?
Ich weiß von meinem inneren Friedhof mit den verlassenen Gräbern, den ich nur ab und zu besuche, um nicht zu vergessen, dass ich aus Erde gemacht bin und zur Erde zurück kehren werde. Vielleicht liegt darin der Schlüssel zu meinem Berührtsein. Ich fühle mich hingezogen und abgestoßen zugleich.
das Album „Inni“ von Sigur Ros

Ein heiliger Raum…

„Schläft ein Lied in allen Dingen
die da träumen fort und fort
und sie heben an zu singen
triffst du nur das Zauberwort“ (Joseph von Eichendorff)

Berührung, ich sehne mich nach Berührung, nicht jene der Körper, die sich aneinander reiben, ich meine Berührung von Herz zu Herz und von Seele zu Seele. Das „Du“ zupft Klänge aus der schweigsamen Harfe, die ich ohne es bin. Vibration, Lieder, Klänge: meinen Grundton, immer wieder angestimmt in Harmonie mit anderen Tönen suche ich.
So will ich denn wieder hören lernen, um DEINEM Klang zu lauschen, um in Resonanz darauf selbst zu klingen. Und es soll mir gleich sein, ob jemand über mich sagt. „Sie hört mal wieder das Gras wachsen.“ Sollen sie reden, sie wissen es nicht besser, ich höre es wirklich wachsen.

Eva fragte noch, ob es der Nussbaum „Opa Graubart“ oder der Apfelbaum „Madame“ gewesen sei, den die heiligen Silben und das große OM so sehr anrührten, dass er zum ersten Mal Früchte trug?
„Weißt du Eva, es war seltsam damals auf der kleinen Terrasse unter dem
Blätterdach der Bäume in jenem heißen Sommer. Es gehört ja auch noch „Frau Holle“ der Holunderbusch zur Pflanzengemeinschaft. Die Vibration war in mir, unter meinen Füßen, und ich spürte sie in der Borke des Stammes. Herausgerissen aus allem, entstand ein heiliger Raum und dennoch, kaum fassbar in diesem Moment, ging rundherum – jenseits der durchsichtigen Mauern, die als Schutzraum gewachsen waren – alles seinen alltäglichen Gang: eine Nachbarin schimpfte mit ihren Kindern; irgendwo dudelte Musik; die Vögel zwitscherten und nebenan hängte jemand die Wäsche auf.
Es war übrigens der Apfelbaum, der danach zum ersten Mal Früchte trug. Ich hatte ihn einst mit dem Namen „Madame“ gesegnet. Aber ja, wenn ich alles so recht bedenke, auch der alte Haselnussbaum, das Findelkind, jenes dass ein Fremder lieblos einfach aus der Erde gerissen hatte, um es am Rande der Stadt abzuschütten wie eine lästige Altlast, die man nicht mehr gebrauchen kann, trug in diesem Jahr eine reiche Ernte. Er wäre vor Jahren gestorben, hätte ich ihn nicht gerettet. Ob der Fremde wohl gewusst hat, was für wunderbare und vollkommene Nüsse dieser Baum zu verschenken hat?“

Schläft ein Lied in allen Dingen

Secret Touches

Es war…
etwas Gläsernes zwischen uns
nicht wie eine Wand
Eher wie ein Spiegel
als wir langsam auf einander zugingen
die Blicke ineinander gewunden

Es war…

etwas Zartes zwischen uns
nicht im Staunen
eher im Wissen darum
dass, was sich berührt
zu Staub verfallen wird

Es war …

etwas wie Liebe zwischen uns
ohne Worte
nicht die Irdische
eher, wie etwas Magisches
aus einer fernen Zeit

und da war ein großes WundernHundsrose