Das alte Haus, der Ort, an dem ich die ersten sieben Jahre mit meiner Großfamilie gelebt habe, ist ein beseeltes Geschichtenhaus. Obwohl es inzwischen abgerissen ist, bleibt es in meiner Erinnerung intakt. Es ist wie ein sicheres Gehäuse in meinem Inneren, in das ich flüchten darf, wenn alles zu viel wird, das ich jederzeit betreten kann, um Schätze zu suchen, nach Wurzeln zu graben oder Geschichten zu finden. Auch zum fantasievollen Geschichtenerfinden eignet es sich sehr. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich den Schlüssel zum ihm nicht verloren habe und auch dafür, dass ich mir ein Stück vom kindlich magischem Denken erhalten konnte.
1962 bin ich mit meinen Eltern in die Großstadt gezogen: Einfamilienhaus, Neubau. Das neue Haus hatte keine Seele. Es war weder belebt, noch hingen Geschichten darin. Von jetzt auf gleich gab es keine Großfamilie mehr, auf die ich zurückgreifen konnte. Die vertrauten Dorfbewohner, das Land, Garten, Wiesen, Felder, Stalle, Schuppen und Heuböden fehlten. Tiere hatten wir keine. Es war alles eng, das neue Haus für mich ein Puppenhaus. Angst umhüllte es, die Angst meiner Mutter, die uns vor allem beschützen wollte, um sich selbst vor all dem Neuen zu schützen, dem sie sich nicht gewachsen fühlte. Es war ein Kulturschock und zunächst einmal die radikale Beschneidung von Möglichkeiten.