Lieblingssätze 5

Ich schicke meine Hände

in Zettelkästen

so hält

mein Gedächnis dich aus

….

( „Flaschenpost“ von Margot Schroeder)

Zettelkästen, unzählige, notizenreich

Erzählfäden, Erinnerungen, Gedankenausschuss

Verborgen unten ein Zettel

mit Worten, die tief berühren

mich am unbekannten Ort abholen

Gänsehaut bescheren

nach so langer Zeit bist du nah

als sei dein Körper neben mir

und deine Seele fassbar

der wunde Punkt liegt bloß

blinde Flecken blitzen kurz auf

ohne, dass ich sie greifen kann

Noch verstehe ich nicht warum.

Lieblingssätze 4

Aus dem Buch „Jahre mit Martha“, das im Kölner Stadtanzeiger MAGAZIN vorgestellt wurde und nun auf meiner Buchliste steht. Autor: Martin Kardic´

„Meine Geschichte will ich erzählen, weil ich glaube, dass wir uns mehr Geschichten erzählen sollten über uns in diesem Land.“

Über mich und diese Stadt, möchte ich erzählen, in die ich aus dem ländlichen Paradies meiner Kindheit vertrieben wurde.

Krass ausgedrückt, aber so kam es mir damals mit sieben Jahren vor. Alles fremd, keine bekannten Gesichter. Ein Puppenhaus zum Leben, in dem es viel zu eng war, mit Mauern darum herum, aus denen meine Mutter mich nur entließ, um zur Schule zu gehen. Das Haus war nicht wirklich klein, hatte einen Garten und vor der Haustüre einen Weg, auf dem die Kinder aus der Straße sich treffen, miteinander spielen oder raufen konnten. Aber im Gegensatz zu dem Bauernhof auf dem Lande, mit den vielen Zimmern, Ställen, Hofgebäuden, Tieren, dem großen Garten, der Obstwiese, den Feldern und der lebendigen Dorfgemeinschaft war nicht nur mein Bewegungsraum eingeschränkt, sondern auch der Erfahrungsraum. Die größte Mauer aber war die Angst meiner Mutter, die mich vom Außen trennte. Es dauerte Jahre bis ich den Ausgang fand.

Lieblingssätze 3

„Und der Wind fing sich in den Rändern des Vorhangs an meinem Fenster. Dort hielt ich Wache, aufmerksam für das Kleine, das bei wachem Auge monströs und schön werden konnte.“ (Patti Smith: Traumsammlerin“

Wäre ich der Wind, so würde ich dir heute eine zärtliche Brise schicken. Du würdest mich auf deiner Haut spüren, dich heimlich daran erfreuen und vielleicht ein wenig Kichern, weil es kitzelt. Du würdest ein zartblaues Blatt Papier aus deiner Wunschkiste ziehen, ein zierliches Boot falten und es meinen Flügeln anvertrauen. Mit staunenden Kinderaugen würdest du hinterherschauen, wie es davon segelt. …

Du würdest selbst zum Boot werden, bereit eine große Reise ins Abenteuer zu starten. Und du wärest glücklich über mein Geschenk.

Denn es ist der Anfang von etwas, dass dich aus der Erstarrung löst und dir den Mut gibt, über dich hinaus zu wachsen.

Lieblingssätze 2

„Alle Familien haben ein Gedächnis, das über die Erinnerung des Einzelnen hinausgeht“ (Piccola Sicilia v. Daniel Speck)

Mariana öffnet die gläserne Tür hofft, dass diese sie zum Kern des Gebäudes führt. Das Haus, in dem sie sich bewegt , gleicht einem Labyrinth. Vertraut und fremd zugleich. Gefühle tauchen auf, vergehen wieder oder bleiben; klingen unangenehm nach, schmecken bitter. Die gläserne Tür führt in einen verspiegelten Raum. Zahllose Duplikate ihrer selbst; unterschiedliche Blickwinkel lauern und blenden. Wer ist sie? Wo geht es lang? Einem inneren Impuls folgend geht sie auf den Spiegel zu, der ihre roten Schuhe betrachtet.

Das Herz schlägt schnell, fürchtet sich vor dem Zerspringen.

Sie muss hindurch. Einzig fassbar die roten Schuhe, die Richtung anzeigen.