Lieblingssatz 25

„Meine und deine Begegnung ist die von Rose und Tau: Alles Lächeln von dir und alles Weinen von mir.“ (Dard – aus „Nimm eine Rose und nenne sie Lieder-Poesie der islamischen Völker)

„Liebster warum weinest du? Unter deinen Tränen erblühe ich und wünsche doch, dass sie versiegen.“
„Liebste, dein Lächeln wärmt mein Herz und lässt den Tränenfluss weicher fließen.“
„Liebster, mein Lächeln trägt Trauer. Wir sind was wir sind: ich Rose, die am Tag erblüht und du Tau, der in der Nacht entsteht.“
„Liebste, wir haben unsere Zeit zwischen Tag und Nacht. Sie ist aller Tränen wert.“
„Wie vollkommen doch der Tau am Rosenblatt perlt, wenn mein Licht ihn zum Glänzen bringt.“ flüstert der Morgen dem erfrischten Garten zu.

Lieblingssatz 24

„Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug.“ (Hilde Domin)

Dem unbekannten Element zu trauen, sich ihm anzuvertrauen, dazu gehört Mut. Einen Schritt ins Ungewisse zu tun, zu wagen, den Boden unter den Füßen zu verlieren, das klingt beinahe übermütig.

Franzi steht mit dem Rücken zur Wand. Was hinter ihr liegt hat sich so verdichtet, dass sie nicht zurück kann. Der Weg ist versperrt. Was bleibt ist die Sicht nach vorne. Alles hinter sich lassen und einen Neuanfang zu wagen, erscheint als einzige Option. Franzi schwankt:
zurück und durch die Wand gehen oder das scheinbar Unmögliche wagen? Beides kann bedeuten, sich innere und äußere Verletzungen zuzuziehen.
Neulich sagte Rene´, ein guter Freund zu ihr:
„Franzi, was hast du zu verlieren? Du bist jung, unabhängig und frei. Nutze deine Möglichkeiten. Schau nicht zurück.“
„Und du, Rene´, wo bist du, wenn ich gehe?“
„Keine Sorge, Franzi, die Welt bleibt die gleiche. Du bist nur an einem anderen Ort. Wir werden uns wiederfinden, wenn du angekommen bist. „
Franzi schloss die Augen und setzte ihren Fuß in die Luft. Sie trug.

Lieblingssatz 23

„Wer ein Notizbuch mit sich führt, hat immer einen Freund zur Seite.“

(„Wunder warten überall“von Stefan Weigand)

Ich besitze viele Notizbücher, für jedes Projekt ein eigenes und auch eins für schöne Sätze und Worte. Wieder ein anderes hält Morgengedanken fest. Ein weiteres speichert Träume. Ich könnte diese Liste fortsetzen. Ohne meine vielen Notizbücher würde mir etwas fehlen. Wenn ich mich in Mußestunden manchmal zurücklese in ihnen, dann bin ich überrascht, was sich dort alles findet und wiederfindet. Die äußere Erscheinung dieser kleinen Bücher ist sehr unterschiedlich, denn es fällt mir schwer, an schönen Kladden oder Notizbüchern vorbeizugehen. Es gibt auch lose Blattsammlungen, notdürftig zusammengehalten und alte Schulhefte, denen ich einen hübschen Einband verpasst habe. Einige von ihnen sind richtig zerfleddert. Diese Zerzausten habe ich besonders lieb. Alle zusammen sind wie ein Kaleidoskop. Sie erzählen etwas über mich, meine Innenwelt und Fantasie und sagen etwas über meine Einstellungen. Ich hoffe sie überleben meinen Tod und dienen Kindern und Enkelkindern als kreative Fundgrube und Erinnerung an mich.

Lieblingssatz 22

Satz 22

„Ich sehe mich in unzähligen Gestalten – Formen, die waren, sind und werden. Mein Herz macht einen Sprung – Narrensprünge!“

(Angie aus Brückenstück „Marie, die Zweite“)

Dieser Augenblick zwischen Schlafen und Wachsein, manchmal noch traumverfangen, dieser besondere Moment lässt sich dehnen. Wie ein Film läuft der Traum einfach weiter und schwingt sich in Narrensprüngen von Ast zu Ast und von Baum zu Baum weiter, bis er verblasst im Tag angekommen ist. Freiwillig hängenbleiben in Zwischenwelten ist für Marie köstlich und ein unvergleichlicher Genuss. Hier entstehen kreative Impulse für den Tag, entscheidet sich welchen Grundton der Tag tragen wird. Alles Vorstellbare darf sein und seine Schatten in den Tag legen. Im Gegensatz zum Nachttraum allerdings, ist Mensch hier selbst der Regisseur. Er entscheidet, wohin es geht und wie lange die Reise dauert.

Lieblingssatz 21

Satz 21

„Solange man schreibt, spricht man mit den Menschen, die man erfindet, man lebt ihr Leben mit ihnen, und die Zeit zwischen dem Schreiben wird irgendwann unwichtig, das Schreiben wird zum Eigentlichen.“
(Ferdinand von Schirach, aus „Kaffee und Zigaretten“)

Solange ich schreibe! Was aber passiert mit den Menschen, deren Leben noch unvollendet beschrieben ist?
Undenkbar ja, dass irgend etwas Lebendiges jemals vollkommen wäre, aber diese bruchstückhaften Schemen mit mehr oder weniger Fleisch an den Knochen, was geschieht mit ihnen, wenn der Schreibimpuls plötzlich stoppt? Wie Marionetten, die der verborgene Puppenspieler nicht mehr bewegt, bleiben sie hängen und wiegen sich im Wind des Lebens.
Manche verschwinden zeitweise völlig aus den Augen des Erfinders, manche tauchen wieder auf als Veränderte oder verlieren sich für immer in Raum und Zeit. Zurück bleibt eine kleine Lücke, die nicht wieder aufzufüllen ist.

Eigentlich wie im richtigen Leben, oder?

Lieblingssatz 20

Satz 20

„Seien wir neu und erfinderisch von Grund auf. Dichten wir das Leben täglich um.“ (Hugo Ball)

So wie gestern. Da wurde ein alter Teekessel zum Füllhorn mit Geschichten, die zu den Wurzeln einer Familie zurückführen. Bereichert mit neuen Erkenntnissen, dichtet sich das ICH um, erfindet sich neu. Die Vergangenhheit hat das Vordergründige angereichert und lässt den Urgrund im neuen Licht erscheinen. Kleine Haarriss bekommt das Bild und aus ihnen heraus hinterfragen neue Gedanken die alten Annahmen und weichen sie auf. Ein tagesfrisches Bild entsteht und eröffnet neue Perspektiven. Was in der Luft zu hängen scheint, wird als Gewürz hinzugefügt. Ein Leben dichtet sich um.

Lieblingssatz 19

Satz 19

„Das Wort hinter deiner Haut hat einen anderen Ton“
(aus „Hinter der Haut“ von Rose Ausländer)

Auf Hochglanz getrimmt, die äußere Haut

kühle Augen, ebenmäßiger Teint

der Lidstrich perfekt

beim Lächeln heben sich die Lippen kaum

goldenen Stränen im Haar lassen dich strahlen

Du bist schön, unberührbar schön

hast dich im Griff

aber wenn du dich loslässt, manchmal

und die Fassade fällt

wenn alles sich auflöst

die Züge ins Weiche entgleisen

dann liebe ich dich

und den Vulkan unter deiner Haut

Lieblingssatz 18

Satz 18

„Du tanzt in meiner Brust
wo dich keiner sieht.“

(Rumi aus“Tänzer in meiner Brust“)

Muss ich wissen, wer du bist,
wenn ich dich doch spüren kann?
Und doch wüsste ich es gerne.
Welche Gestalt nimmst du an,
welchen Klang trägt deine Stimme hinaus?
Duftest du nach Rosen und Moschus?
Wenn ich dich berühre,
zergehst du unter meinen Händen?
Nein, bleib in deinem Versteck.
Ich spüre dich ja.
Seelenvogel nenne ich dich und weiß doch,
deine Gestalt wandelt sich von Augenblick zu Augenblick,
ist immerzu gerade das, was ich zu denken wage.

Lieblingssatz 17

Satz 17

„Die Sehnsucht
lässt die Erde durch die Finger rinnen
alle Erde dieser Erde
Boden suchend
für die Pflanze Mensch“

(Hilde Domin)

wie gierig er ist, der Mensch.
nichts lässt er sich entgehen,
nichts lässt er liegen wo es liegt
jeden Stein dreht er um
er bohrt sich durch die Erde
schatzsuchend
windet sich in ihre Eingeweide
wühlt, zerstört, zerreißt
er ruht und rastet nicht
lässt sich nicht Zeit
er achtet das Geheimnis Schöpfung nicht
und wäscht seine Hände in Unschuld

Lieblingssatz 16

Satz 16

„Ich bin eine Schlafwandlerin, gefangen in meinem eigenem Traum.“

(„Piccola Sicilia“ Daniel Speck)

Hatte Mara jeh aufgehört zu träumen? Manchmal in wachen Momenten kam das Leben ihr vor wie die Anreihung von Seifenblasen, in denen nach und nach alle Träume zerplatzten.

Und schon bließ sie neue Traumblasen in den Himmel und schaute ihnen versonnen hinterher. Die Katze strich um ihre Beine. Kurz kehrte Mara in den Tag zurück und streichelte das Tier. Der Kaffee vom Frühstück war kalt geworden. Auf dem Tisch zwischen Krümeln, Käserinden und verwelkten Blütenblättern stapelten sich Papiere, ungeöffnete Briefe, Quittungen und Notizzettel. Seit sie nicht mehr erwerbstätig war, verlor der Tag seine Struktur. Alles Greif-und Fassbare schien ihr zu entgleiten. Nur die Notizzettel hielten ihre Gedanken fest, die sie zwischen den Seifenblasenträumen hastig niederkritzelte. Mara hatte das Zeitgefühl verloren. Es wurde nebensächlich, wie sie aussah, was sie trug und ob die Zähne geputzt waren. Die wenigen Lebensmittel, die sie brauchte, brachte der Lieferdienst. Mara konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zum letzten Mal mit jemanden am Telefon gesprochen hatte. Aber es war gleichgültig, denn in ihrer selbstgewählten Abgeschiedenheit hatte sie sich schmerzlich eingerichtet. Immerhin, den Schmerz spürte sie noch. Das waren die Augenblicke, in denen sie eine Hand vermisste, die sie greifen konnte, der Moment, in dem sie wünschte, ein Mensch möge ihr zuhören. Der eigenen Stimme traute sie nicht mehr. Die war eingerostet, und Worte wollten ihr nicht mehr wie selbstverständlich über die Lippen rollen.

Nur die Träume blieben und die Fantasie, die sich von ihnen ernährte.