Satz 16
„Ich bin eine Schlafwandlerin, gefangen in meinem eigenem Traum.“
(„Piccola Sicilia“ Daniel Speck)
Hatte Mara jeh aufgehört zu träumen? Manchmal in wachen Momenten kam das Leben ihr vor wie die Anreihung von Seifenblasen, in denen nach und nach alle Träume zerplatzten.
Und schon bließ sie neue Traumblasen in den Himmel und schaute ihnen versonnen hinterher. Die Katze strich um ihre Beine. Kurz kehrte Mara in den Tag zurück und streichelte das Tier. Der Kaffee vom Frühstück war kalt geworden. Auf dem Tisch zwischen Krümeln, Käserinden und verwelkten Blütenblättern stapelten sich Papiere, ungeöffnete Briefe, Quittungen und Notizzettel. Seit sie nicht mehr erwerbstätig war, verlor der Tag seine Struktur. Alles Greif-und Fassbare schien ihr zu entgleiten. Nur die Notizzettel hielten ihre Gedanken fest, die sie zwischen den Seifenblasenträumen hastig niederkritzelte. Mara hatte das Zeitgefühl verloren. Es wurde nebensächlich, wie sie aussah, was sie trug und ob die Zähne geputzt waren. Die wenigen Lebensmittel, die sie brauchte, brachte der Lieferdienst. Mara konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zum letzten Mal mit jemanden am Telefon gesprochen hatte. Aber es war gleichgültig, denn in ihrer selbstgewählten Abgeschiedenheit hatte sie sich schmerzlich eingerichtet. Immerhin, den Schmerz spürte sie noch. Das waren die Augenblicke, in denen sie eine Hand vermisste, die sie greifen konnte, der Moment, in dem sie wünschte, ein Mensch möge ihr zuhören. Der eigenen Stimme traute sie nicht mehr. Die war eingerostet, und Worte wollten ihr nicht mehr wie selbstverständlich über die Lippen rollen.
Nur die Träume blieben und die Fantasie, die sich von ihnen ernährte.