Ich bin ein Findelkind. Das zu denken gelingt mir nicht, denn ich kenne keine Worte. Die meiste Zeit schlafe ich. Wenn ich wach bin habe ich Angst. Es ist kalt und laut. Die Leere in meinem Bauch nagt an mir, frisst mich auf. Ich schreie, bis ich wieder eingeschlafen bin. Ich bin noch nicht lange auf dieser Welt, wie soll ich Worte da kennen; wie beschreiben können, wo ich bin und was passiert? Ich nehme den Daumen in den Mund und nuckel ihn wund. Da ist eine vage Erinnerung an etwas Warmes, von dem ich Teil war, und der jetzt nicht mehr da ist. Die Stimmen, die ich höre, sind fremd.
Und dann ist da plötzlich etwas Neues, etwas Warmes, das mich für einen Augenblick lang in die Arme nimmt und tröstet. Gleich fühle ich mich besser. Mir wird warm. Das nagende Gefühl in meinem Bauch bleibt. Ich öffne die Augen und schaue in ein unbekanntes Gesicht. Zusammengekrümmt liegt es neben mir und schreit. Wenn ich wachsen darf, werde ich wissen, dass die fremden Geräusche das Wogen der Wellen, der Sturm und das Möwengeschrei eine andere Art von Lied sind. Ich werde wissen, dass dieses warme Etwas neben mir sich ins Leben zu schreien versucht, wie ich. Wir sind beide klein und hilflos. Ausgeliefert! Aus der Not geborene Zwillinge, die im Boot aus Binsen auf Nahrung warten und auf menschliche Wärme; ein schützendes Dach erhoffen und liebevolle Hände, die zärtlich berühren.
Später, wenn ich gewachsen bin, werde ich diese Worte kennen. Wo ich herkomme? Von Nirgendwo! Ich bin der Anfang einer Geschichte, deren Beginn im Nebel der Vergangenheit verschwunden ist. Es wird mein Schicksal sein, ein Suchender zu bleiben.
Bei deinem Text werde ich seltsam still. Ich dachte an die Babyklappen und das Buch: Das Kind, das eine Katze sein wollte.
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Ich lese unsd ich weine. Fundevogeltränen.
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Alles wird gut!
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Aber es ist schon der Schmerz, der das Fundevogelnest immer wieder in manchmal verkleideter manchmal recht erkenntlicher Form zum Beben bringt: Die nicht fassbare Erinnerung am Anfang des Lebens bloß und ungeschützt gewesen zu sein. Und ich sag die da bleibt an heftigen Tagen kein Zweglein auf dem anderen. Das heißt nicht , dass aus den Fundvögeln unglückliche Menschen werden, aber diesen Schmerz den tragen sie bei sich. Gut werden kann alles auch damit.
Natalie
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Da hast du natürlich Recht und von solchen Erlebnissen bleiben Narben.
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Ich habe versucht den Schmerz zu beschreiben, wenn noch keine Worte da sind.
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Sprich, du hast einen guten Text geschrieben, einen, in dem du den Schmerz so authentisch einfängst, dass er die Lesenden trifft, bei entsprechender Vorerfahrung halt schmerzlich trifft.
Ist gut so, wir wollen lesen, nicht in Weichspüler baden
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Das tut mir leid, liebes Fundevogelnest.
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Braucht es nicht.
Wie gesagt , um weichgespült zu werden, lese ich nicht.
Mir ging es auch nicht schlecht, ich war angerührt.
Das wovon es mir manchmal schlecht geht, spielt woanders (Aber meist geht es uns ganz gut)
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Für dich, ein altes Gedicht vom Findevogel an das Fundevogelnest, sozusagen, ein kleines blaues Ei:
Es ist zeit
blau federn daunen
ins moosweiche grün
aus weidenzweigen geflochten
ein luftiges nest
fern von hier breitet ikarusdie flügel aus
und grüßt mit dem sonnenkuss
das morgenrot (Findevogel)
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Ein Gedicht für mich?
Oh wie schön.
Ich werde ganz rot.
Oder doch eher zartblau?
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