Seltsam ist es, bin doch wohl eine sehr eingefleischte Mutter, die bereits drei von vier Kindern ins Leben entlassen hat.
Es fiel mir leicht, sie los zu lassen. Klar einen Augenblick lang war da die Sorge, wie das Leben sich jetzt weiter entwickeln wird, welche Veränderungen entstehen würden, aber – und da bin ich ganz ehrlich – es hatte immer auch etwas Erleichterndes, ein Gefühl von Entlastung und Befreiung. Schließlich war plötzlich mehr Zeit da, die für anderes genutzt werden konnte.
Was hat das mit meinen Hauptfiguren zu tun?
Es ist ein bisschen wie Kinderkriegen. Plötzlich sind sie da, ich sehe ihnen dabei zu, wie sie sich aus mir entwickeln und entfalten. Ich freue mich mit ihnen, leide mit, gebe Anstöße, näh ihnen ein neues Kleid, schicke sie weg oder sperre sie ein. Manchmal lasse ich sie auch irgendwo warten, wie die Frau Mai, die in einem Bild ausharrt und leicht mit einer grünen Raupe verwechselt werden kann. Irgendwann sind sie ausgewachsen und wollen gehen, nicht mehr in einem Buch gefangen sein, nicht mehr Teil nur einer Geschichte sein, die anderen Hauptpersonen kennen lernen. Sie wollen von den Seiten herunter spazieren und selbst Erfahrungen machen.. Und was mir bei meinen Kindern ganz gut gelingt, fällt mir bei den erdachten Figuren viel schwerer. Aber ihnen fällt das Loslassen wohl auch schwer, denn immer wieder klopfen sie an, erheben mit Nachdruck ihre Stimme, wollen weiter geschrieben oder zumindest beachtet werden.
Neben MARIE, gibt es noch die JULE VAN MAAREN, AURORA, die Seiltänzerin und ADAM WINTERBILL. Natürlich sind diese Hauptpersonen meiner Geschichten mit anderen Figuren verbunden. Sie sind keine Einzelwesen, die ohne Zusammenhänge leben.
Ich habe ja einen Verdacht:
Eben las ich bei ULLI:
„Die eigene kleine Geschichte in der großen zu schreiben, dazu rät Ulla Hahn in dem Band „Spiel der Zeit“.
Wie immer ich sie schreibe, ob in Worten oder Bildern oder nur in mir, ich schreibe sie, meine Geschichte. Und schreibe sie immer wieder anders, je nachdem welchem Faden ich folge, aus welcher Perspektive ich auf meine Erlebnisse schaue, je nachdem an welchem Punkt ich beginne. Ich schenke meiner eigenen Geschichte Raum und ich lausche auf die Geschichten des jeweiligen Augenblicks. Dafür braucht es Gewahrsein. Wahr-sein im Jetzt. Ein Weg, ein Ziel und manchmal auch ein Ist.!
Die Figuren sind Teile von mir und enthalten Aspekte, Wunschträume, Ungelebtes, Konzepte, wie Leben – meines – auch anders hätte sein können, Erfahrenes von mir selbst. Wie kann ich sie da los lassen? Meine Geschichte ist ja noch gar nicht zuende erzählt.
Und die Muetzenfalterin, deren Textschnipsel ich sehr schätze, schrieb, ich zitiere aus dem Text 41 (vielleicht ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen, aber es passt so gut)
„Was ich damit sagen will; ich wurde immer wieder auf mich selbst zurückgeworfen.
Ja, wir tragen all das in uns, und es schreibt sich auch in die Texte und Geschichten hinein.
Also lasse ich jetzt das Grübeln für heute sein und freue mich darüber, dass meine Geschichte(n) – sowohl die wahren, wie die ge(er)fundenen (aber was ist schon wahr) Teil der großen allumfassenden Geschichte sind und sein dürfen.
Ich habe gerade ein Bild vor mir. Darauf sehe ich einen wunderschönen bunten Teppich. Seine Schönheit bezieht er aus den ganz unterschiedlich gestalteten Flicken, die in ihm ganz groß zusammen genäht sind. Und er kann und darf weiter wachsen. Denn ein vorgegebenes Maß gibt es nicht.
Ich habe festgestellt dass es immer eine Wechselwirkung zwischen meinem realen Leben und meinem Geschriebenen gibt.
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